ROUNDUP, Israel

(Opferzahlen aktualisiert)TEL AVIV - Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat öffentlich Pläne bestätigt, dass seine Regierung die Einnahme des gesamten Gazastreifens verfolgt.

19.05.2025 - 16:53:52

Israel will ganzen Gazastreifen einnehmen - Warten auf Hilfe

(Opferzahlen aktualisiert)

TEL AVIV (dpa-AFX) - Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat öffentlich Pläne bestätigt, dass seine Regierung die Einnahme des gesamten Gazastreifens verfolgt. "Wir werden die Kontrolle über alle Gebiete des Gazastreifens übernehmen", sagte Netanjahu in einer Videoansprache. Die Absicht der israelischen Regierung sowie die vor wenigen Tagen gestartete Großoffensive mit massiven Luftangriffen und dem Einsatz von Bodentruppen stürzt die notleidende Bevölkerung des abgeriegelten Küstengebiets in weitere Unsicherheit und schürt Sorgen vor weiterer Vertreibung und Tod.

Einen Hoffnungsschimmer brachte die Ankündigung der israelischen Regierung, nach fast dreimonatiger Blockade wieder humanitäre Hilfe in das Gebiet lassen, um nach eigenen Angaben eine drohende Hungersnot zu verhindern.

Allerdings ist unklar, wann, wie viele und über welchen Grenzübergang Hilfstransporte in das Gebiet kommen sollen. Ein Sprecher der Armee teilte mit, Pläne dazu seien am Morgen gemacht worden. Er geht eigenen Angaben nach davon aus, dass Lastwagen mit kleineren Mengen Hilfsgütern noch im Laufe des Tages den Gazastreifen erreichen werden.

In einer Videoansprache betonte auch Netanjahu, dass zunächst nur eine minimale Menge an Lebensmitteln erlaubt werde. Israelischen Medien mutmaßten, dass es sich nur um einige wenige Lastwagen mit Babynahrung, Mehl und medizinischer Ausrüstung handeln werde.

Umstrittener neuer Mechanismus für Hilfen soll Ende Mai greifen

Die Hilfsgüter sollen mehreren israelischen Medienberichten zufolge zunächst wie zuvor von internationalen Organisationen in den abgeriegelten Küstenstreifen gebracht werden, bis Ende des Monats ein geplanter neuer Mechanismus greift. Berichten zufolge sollen Güter dann nur noch von wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. Die UN hatte die Pläne kritisiert, unter anderem weil Zivilisten auf dem Weg zu den Verteilungszentren ins Kreuzfeuer geraten und etwa Alte und Kranke diese erst gar nicht erreichen könnten.

Die Verteilungszentren sollen laut der "Times of Israel" in einer neuen und von Israel kontrollierten "humanitären Zone" in der Gegend der Stadt Rafah im Süden des Gebiets errichtet werden.

Netanjahu: Hilfen nötig, um Sieg im Gaza-Krieg zu erringen

Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen gelassen. Das Land wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.

In seiner Videoansprache betonte Netanjahu wohl vor allem angesichts der Kritik von Hardlinern seiner rechtsreligiösen Regierungskoalition, dass die Entscheidung, wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen, getroffen worden sei, da dies zur Sicherung der internationalen Unterstützung wichtig sei. Um einen Sieg über die Hamas zu erringen, dürfe es keine Hungersnot im Gazastreifen geben, sagte er weiter. Vor allem der Druck aus den USA dürfte Netanjahu zur Aufhebung der Blockade gebracht haben.

Israels Staatspräsident Izchak Herzog lobte die Entscheidung des Sicherheitskabinetts. Sie sei entscheidend, "damit wir in dieser Tragödie unsere Menschlichkeit bewahren können".

Israels Armee ruft Anwohner der zweitgrößten Stadt in Gaza zur Flucht auf

Israels Armee hatte jüngst eine Großoffensive im Gazastreifen begonnen, seit Samstag sind dafür auch Bodentruppen im Einsatz. In den vergangenen Tagen wurden Dutzende Tote gemeldet. Allein seit vergangener Nacht seien mehr als 60 Menschen getötet worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.

Ein Militärsprecher sagte am Nachmittag, die Armee habe in den vergangenen Tagen mehr als 800 Ziele der Hamas angegriffen. Die Islamistenorganisation sei weiterhin eine Bedrohung für die Menschen in Israel, und es sei die Aufgabe der Armee zu verhindern, dass sie erneut einen Terrorangriff wie am 7. Oktober 2023 verüben könne. Das Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs.

Die Armee forderte alle Anwohner der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens wegen eines bevorstehenden, "beispiellosen Angriffs" auf, von dort zu fliehen. Das israelische Militär will in dem Gebiet eigenen Angaben nach gegen Terrororganisationen vorgehen. Chan Junis ist die zweitgrößten Stadt des Küstengebiets. Die Notlage der Menschen nach mehr als anderthalb Jahren Krieg dürfte sich dadurch weiter verschlimmern.

Netanjahus Regierung will mit der neuen Offensive eigenen Angaben zufolge den Druck auf die Hamas erhöhen, um die Freilassung der noch immer festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Die Armee soll im Zuge der großangelegte Offensive nach dem Willen der Regierung den Gazastreifen erobern und auf Dauer besetzt halten. Die Andeutung einer dauerhaften Besetzung rief international massive Kritik hervor. Netanjahu stellte nun erstmals klar, dass Israel den gesamten Gazastreifens einnehmen werde. Weitere Details dazu nannte er aber zunächst nicht.

Bei der derzeit in Katar stattfindenden indirekten Gesprächsrunde zwischen Israel und der Hamas über ein Gaza-Abkommen habe es keine Fortschritte gegeben, meldeten mehrere israelische Medien unter Berufung auf mit den Einzelheiten vertraute Kreise.

@ dpa.de