Viehzucht, Updateme

An der Metzgertheke ist derzeit ein Grundgesetz der Marktwirtschaft zu beobachten: Knappe Güter werden teurer.

28.09.2025 - 06:00:06

Rekordpreise bei Rindfleisch - Steak wird Luxusgut. Das Rindersteak können sich nur noch Besserverdiener leisten.

Die Rindfleischpreise in Deutschland klettern von Rekordhoch zu Rekordhoch. Die Schlachtpreise für Jungbullenfleisch haben mittlerweile die Schwelle von 7 Euro je Kilogramm überschritten, nachzulesen in amtlichen bayerischen Daten ebenso wie bei der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) in Oldenburg. Im Vergleich zum Sommer 2023 ist das ein Preisanstieg von gut 50 Prozent, weit über der allgemeinen Inflationsrate. Die Verbraucherpreise beim Metzger und im Supermarkt sind noch um ein Vielfaches höher, Kilopreise von vierzig bis über fünfzig Euro für Rindersteak von guter Qualität sind keine Ausnahme. 

Bauern geben auf

Woran liegt's? «Die Entwicklung lässt sich mit dem Rückgang der Rinderbestände erklären», sagt Tim Koch, Bereichsleiter Fleischwirtschaft bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. «Die gehen jedes Jahr um zwei, drei, vier Prozent zurück. Viele Höfe machen zu, es gibt oft keine Betriebsnachfolger.» 

In Zahlen: Im Mai 2015 hielten die deutschen Bauern nach Daten des Statistischen Bundesamts noch 12,6 Millionen Rinder, im Mai dieses Jahres waren es nur noch 10,3 Millionen. Zwangsläufig werden daher auch weniger Rinder zur Schlachtbank geführt. In der Bundesrepublik wird zwar keineswegs nur heimisches Fleisch verzehrt, doch sinken die Rinderzahlen auch in anderen europäischen Ländern. «Die Nachfrage nach Rindfleisch ist in den vergangenen Jahren ebenfalls zurückgegangen, aber das Angebot an Schlachttieren ist knapper geworden», sagt Koch. 

Blauzungenkrankheit verschärfte die Entwicklung 

Verschärft wurde die Teuerung bei Rindfleisch und Milchprodukten zeitweise durch eine - für Menschen ungefährliche - Tierseuche, die seit Herbst 2023 ihren Weg durch die Ställe nahm: die Blauzungenkrankheit. Der Erreger befällt neben Rindern auch Schafe und Ziegen. Von Mai 2024 bis Ende April 2025 zählte das bundeseigene Friedrich-Löffler-Institut 17.854 Blauzungeninfektionen, mittlerweile ist der Höhepunkt überschritten. 

«Insgesamt verzeichnen wir dieses Jahr deutlich weniger Fälle, da bereits im letzten Jahr viele Tiere betroffen waren», sagt eine Sprecherin. «Die natürliche Durchseuchung und starke Impfbereitschaft in allen Bundesländern haben die potenziell empfänglichen Tiere stark reduziert».

Übertragen wird die Blauzungenkrankheit von Gnitzen, einer weltweit verbreiteten Familie sehr kleiner Mücken. Diese sind üblicherweise im September und Oktober besonders aktiv. «Bis Ende Oktober ist noch mit einigen neuen Fällen zu rechnen, aber die Fallzahlen werden bei weitem nicht das Niveau vom letzten Jahr erreichen», sagt die Biologin. 

Trendwende nicht erkennbar

Doch der Rückgang der Blauzungeninfektionen geht nicht mit einem Ende der Teuerung einher. Denn an den Fundamentaldaten hat sich nichts geändert: Weniger Bauern halten weniger Rinder. Der Beruf des Rinderhalters scheint so unattraktiv geworden zu sein, dass nicht einmal die hohen Preise daran etwas ändern. 

«Eine Trendwende in der Rinderhaltung ist derzeit nicht erkennbar», sagt eine Sprecherin des Bundesverbands Rind und Fleisch. «Auch wenn man hätte erwarten können, dass einige Betriebe die aktuell günstige Marktlage noch mitnehmen, bevor sie aufhören, setzt sich der Strukturwandel unverändert fort.» 

Mercosur-Abkommen hat voraussichtlich keinen großen Effekt

Für die Bauern, die ihre Rinderhaltung nicht aufgegeben haben, sind die hohen Erzeugerpreise naturgemäß erfreulich. Etliche Landwirte sind jedoch besorgt, dass das - noch nicht ratifizierte - Mercosur-Freihandelsabkommen der EU mit Südamerika hierzulande die Preise wieder in den Keller treiben könnte. Brasilien ist mit über 210 Millionen Tieren weltgrößter Rindfleischproduzent, auch in Uruguay, Argentinien oder Chile gibt es riesige Rinderherden. 

«Das Mercosur-Abkommen dürfte den europäischen Fleischmarkt weniger stark beeinflussen als vielfach vermutet», heißt es dazu beim Bundesverband Rind und Fleisch. «In den Nachverhandlungen wurden die zusätzlichen Importmengen deutlich begrenzt, sodass es sich im Fall von Rindfleisch lediglich um ein sehr kleines Volumen im niedrigen einstelligen Prozentbereich der südamerikanischen Jahresproduktion handelt.»

Hohe Erzeugerpreise machen jahrelangen Bauernfrust nicht wett

Aber warum geben Rinderhalter auf, wenn die Erzeugerpreise sowohl für Fleisch als auch für Milch hoch sind? Der Bayerische Bauernverband nennt mehrere Gründe: große bürokratische Belastungen und Anforderungen, hohe Investitionskosten und «gesellschaftlichen Druck». Letzteres bezieht sich unter anderem auf die jahrelange Kritik von Umwelt- und Tierschützern an der konventionellen Landwirtschaft, die viele Bauern entnervt. 

Hohe Erzeugerpreise bedeuten auch nicht zwangsläufig, dass die Bauern nun riesige Gewinne einfahren würden. «Gerade in der Bullenmast kommt zum Tragen, dass zwar die Preise gestiegen sind, jedoch auch die Kosten», sagt eine BBV-Sprecherin.  «Bullenkälber kosten 2025 deutlich mehr als im Vorjahr, zeitweise sogar das Doppelte.» 

Abgesehen davon zeichnet sich der Agrarmarkt seit jeher durch wilde Schwankungen aus. So litten vor allem die Milchbauern noch vor ein paar Jahren unter Tiefpreisen, die nicht einmal die Kosten deckten.

Derzeit deutet jedoch wenig auf eine neuerliche Tiefpreisphase. «Dass die Rindfleischpreise wieder auf das Niveau sinken, wie wir es vor eineinhalb Jahren hatten, glaube ich nicht», sagt Fleischfachmann Koch bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft. «Wir werden uns auf einem höheren Niveau einpendeln.»

@ dpa.de