LAG-Urteil: BEM-Outsourcing schützt nicht vor Haftung
16.11.2025 - 21:29:12Das Landarbeitsgericht Baden-Württemberg hat Arbeitgebern eine klare Grenze aufgezeigt: Wer das Betriebliche Eingliederungsmanagement an externe Dienstleister auslagert, haftet trotzdem für deren Fehler. Das Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. 15 Sa 22/24) könnte für viele Unternehmen zum teuren Erwachen werden.
Die vermeintlich bequeme Lösung – das aufwendige BEM-Verfahren einfach in erfahrene Hände geben – erweist sich als Trugschluss. Externe Spezialisten handeln als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB. Was bedeutet das konkret? Jeder Patzer des Dienstleisters landet rechtlich direkt auf dem Schreibtisch der Personalabteilung.
Der verhandelte Fall zeigt die Brisanz: Ein Mitarbeiter mit erheblichen Fehlzeiten sollte entlassen werden. Das Unternehmen hatte das BEM ausgelagert – doch die Durchführung wies gravierende Mängel auf. Informationsgespräch und BEM-Gespräch wurden vermischt, Gesundheitsdaten ohne korrekte Einwilligung verarbeitet. Noch gravierender: Der Mitarbeiter bekam suggeriert, eine Kündigungsgefahr bestehe erst bei erneuter langer Erkrankung. Das Gericht sah die Kündigung als unwirksam an. Die Expertise des externen Dienstleisters? Nutzlos für den Arbeitgeber.
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DSGVO als Stolperfalle
Besonders heikel wird es beim Datenschutz. Gesundheitsdaten gehören zur sensibelsten Kategorie personenbezogener Informationen. Die DSGVO verlangt hier eine ausdrückliche, informierte und freiwillige Einwilligung. Klingt selbstverständlich – scheitert aber erstaunlich oft in der Praxis.
Das Gericht bemängelte unzureichende Aufklärung über Ziele, Art und Umfang der Datenverarbeitung. Die Folge? Das gesamte BEM-Verfahren wurde angreifbar. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass BEM-Akten strikt von Personalakten getrennt bleiben und erhobene Daten ausschließlich zweckgebunden verwendet werden.
Kontrolle statt Vertrauen
Die Botschaft des LAG Baden-Württemberg ist eindeutig: Outsourcing entbindet nicht von Verantwortung, sondern verschärft die Sorgfaltspflicht. Unternehmen müssen externe Partner nicht nur sorgfältig auswählen, sondern deren Prozesse aktiv überprüfen und begleiten.
Ein fehlerhaftes BEM schwächt die Position im Kündigungsschutzprozess erheblich. Gerichte werten Mängel als Indiz dafür, dass der Arbeitgeber nicht alle zumutbaren Mittel ausgeschöpft hat. Die Darlegungslast dreht sich um – und das Unternehmen muss beweisen, dass selbst ein korrektes BEM die Kündigung nicht verhindert hätte. Eine Hürde, die praktisch kaum zu nehmen ist.
Mehr als bürokratische Pflicht
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement greift nach § 167 Abs. 2 SGB IX, sobald ein Mitarbeiter innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt. Viele Personalabteilungen betrachten es als lästige Formalität. Das aktuelle Urteil sollte zum Umdenken anregen.
Ein transparentes, rechtssicheres BEM-Verfahren ist mehr als Risikomanagement. Es zeigt Wertschätzung für erkrankte Mitarbeiter und kann deren Rückkehr aktiv fördern. Unternehmen sollten ihre Prozesse kritisch prüfen: Sind Einladungsschreiben rechtssicher formuliert? Entsprechen Datenschutzerklärungen den aktuellen Standards?
Bei externen Dienstleistern sind klare vertragliche Regelungen zur Einhaltung rechtlicher Standards unerlässlich. Nur so erfüllt das BEM seinen doppelten Zweck: kranken Mitarbeitern eine Perspektive bieten und gleichzeitig das Unternehmen rechtlich absichern. Wer jetzt nachlässig bleibt, zahlt möglicherweise einen hohen Preis.


