KI-Gesetz: EU plant Aufschub für strenge Arbeitsplatz-Regeln
25.12.2025 - 20:42:11Die EU-Kommission will zentrale Pflichten für KI-Systeme am Arbeitsplatz um Jahre verschieben. Ein neuer Gesetzesvorschlag könnte die Frist für risikoreiche Anwendungen von 2026 auf 2027 oder 2028 verschieben.
Brüssel – Die Regeln für Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz stehen vor einer entscheidenden Wende. Wie aus Berichten vom Mittwoch hervorgeht, plant die EU-Kommission eine Verschiebung der strengen Vorgaben für sogenannte Hochrisiko-KI. Der „Digital Omnibus“-Vorschlag soll Unternehmen entlasten – doch Arbeitsschützer warnen vor Sicherheitslücken.
Eigentlich sollten ab August 2026 strenge Auflagen für KI-Systeme gelten, die Mitarbeiter überwachen oder Sicherheitsprozesse steuern. Diese als „hochriskant“ eingestuften Anwendungen erfordern umfangreiche Grundrechtsfolgenabschätzungen und menschliche Aufsicht. Doch nun deutet sich eine Verschiebung bis Dezember 2027 oder August 2028 an.
Hintergrund ist der „Digital Omnibus“-Vorschlag der Kommission. Er reagiert auf Klagen der Wirtschaft über regulatorische Überlastung. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen von vereinfachten Dokumentationspflichten profitieren. Entscheidend ist jedoch ein anderer Punkt: Die technischen Normen, an denen sich die Compliance orientieren soll, sind noch nicht fertig.
Passend zum Thema KI-Regulierung – viele Unternehmen unterschätzen die Anforderungen der EU-KI-Verordnung, vor allem bei Hochrisiko-Anwendungen und den geforderten Grundrechtsfolgenabschätzungen. Wer seine Dokumentation und Risikobewertung jetzt nicht strukturiert angeht, läuft Gefahr, später unter Zugzwang zu geraten. Der kostenlose Umsetzungsleitfaden zur KI-Verordnung erklärt praxisnah, welche Pflichten gelten, wie Sie Risikoklassen bestimmen und welche Fristen relevant sind. Jetzt kostenlosen KI-Leitfaden herunterladen
„Die EU bietet Entwicklern Spielraum für Innovation – innerhalb bestimmter Grenzen“, analysiert Steven Farmer, Partner bei der Kanzlei Pillsbury Winthrop Shaw Pittman. Für Sicherheitsverantwortliche bedeutet das: Der erwartete „Compliance-Cliff“ 2026 wird zu einer sanfteren Rampe.
Verbotene Praxis: Emotion-Erkennung bleibt tabu
Trotz möglicher Aufschübe gilt bereits seit Februar 2025 ein striktes Verbot. KI-Systeme, die den emotionalen Zustand von Beschäftigten analysieren, sind in der EU nicht erlaubt. Das betrifft Kameras, die Stress oder Müdigkeit an Gesichtsausdrücken erkennen sollen.
- Ausnahme nur im engen Rahmen: Erlaubt ist der Einsatz nur bei konkreter medizinischer oder sicherheitstechnischer Begründung – eine Hürde, die in der Praxis kaum zu nehmen ist.
- Bestandssysteme prüfen: Unternehmen müssen vorhandene Überwachungssysteme, etwa zur Müdigkeitserkennung bei Fahrern, überprüfen. Zulässig sind nur Lösungen, die auf physiologischen Daten wie Lenkverhalten basieren, nicht auf biometrischer Emotionsanalyse.
Diese Unterscheidung ist zentral: Während die Hochrisiko-Pflichten verschoben werden könnten, gelten die Verbote für „inakzeptable Risiken“ bereits heute vollumfänglich.
Neue Transparenzregeln und Testräume
Parallel zur Entlastung bei den Hochrisiko-Systemen treibt die Kommission andere Aspekte voran. Ein Verhaltenskodex für Transparenz soll regeln, wie KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden. Für Arbeitsschutzabteilungen, die KI für Sicherheitsanleitungen oder Schulungsvideos nutzen, wird dies zur freiwilligen, aber erwarteten Standards.
Zudem startete diese Woche eine Konsultation zu KI-Regulierungs-Sandboxes. Bis zum 6. Januar 2026 können sich Unternehmen zu diesen geschützten Testräumen äußern. Sie ermöglichen es, innovative Sicherheits-KI – wie autonome Gabelstapler oder Gefahrenerkennung per Computer Vision – ohne sofortige regulatorische Konsequenzen zu erproben. Der „Digital Omnibus“ will diese Sandboxes explizit fördern, besonders in Schlüsselbranchen wie Logistik und Produktion.
Geteilte Reaktionen: Sicherheit versus Wettbewerbsfähigkeit
Die Industrie begrüßt die geplanten Erleichterungen. Ein Konsortium aus über 40 Unternehmen hatte zuvor gewarnt, die ursprünglichen Fristen würden Innovationen ersticken. Die Anpassungen gelten als notwendiges „Ausdünnen“ der Regulierung, um im Wettbewerb mit den USA und China mithalten zu können.
Arbeitsschutzverbände sehen das kritischer. Eine Verschiebung bedeutet, dass obligatorische menschliche Aufsicht bei gefährlichen Maschinen oder algorithmischen Managementsystemen möglicherweise erst in zwei bis drei Jahren verbindlich wird. „Die Herausforderung liegt darin, ein praktikables Gleichgewicht zwischen Innovation und Aufsicht zu finden“, kommentierte die Korea JoongAng Daily. Die Sorge: Beschäftigte könnten länger als geplant ungeprüften KI-Algorithmen in industriellen Umgebungen ausgesetzt sein.
Ausblick 2026: Was kommt jetzt?
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der „Digital Omnibus“-Vorschlag muss noch das Europäische Parlament und den Rat passieren. Dieser Prozess wird die erste Hälfte des neuen Jahres prägen.
Wichtige Daten im Blick behalten:
* 6. Januar 2026: Ende der Konsultation zu den KI-Regulierungs-Sandboxes.
* März 2026: Voraussichtliche Veröffentlichung des zweiten Entwurfs des Transparenz-Kodex.
* Mitte 2026: Voraussichtliche finale Entscheidung über die Fristverschiebung.
Sicherheitsverantwortliche sollten ihre Gap-Analysen für Hochrisiko-Systeme fortsetzen, aber mit einem flexibleren Zeitplan rechnen. Die oberste Priorität bleibt die strikte Einhaltung der verbotenen Praktiken – also kein Einsatz von Emotionserkennung. Gleichzeitig lohnt die Vorbereitung auf die Transparenzvorgaben, die voraussichtlich nicht verschoben werden.
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