Home-Office-Überwachung, Gerichte

Home-Office-Überwachung: Gerichte schützen Privatsphäre

23.12.2025 - 14:14:12

Eine aktuelle Analyse bekräftigt die hohen rechtlichen Hürden für Arbeitgeber bei der Kontrolle von Heimarbeitsplätzen. Pauschale Überwachung ist unzulässig, konkrete Verdachtsmomente sind erforderlich.

Die Überwachung von Mitarbeitern im Home-Office bleibt für Arbeitgeber ein juristisches Minenfeld. Eine neue Rechtsanalyse bekräftigt die strengen Grenzen – besonders bei Verdacht auf Krankheitsbetrug.

Berlin – Zum Jahresende 2025 rückt ein Dauerkonfliktthema wieder in den Fokus: Wie weit dürfen Unternehmen gehen, um ihre Mitarbeiter im Home-Office zu kontrollieren? Eine heute, am 23. Dezember 2025, veröffentlichte Analyse des Fachanbieters Haufe unterstreicht die hohen Hürden für Arbeitgeber. Der Verdacht, ein Angestellter simuliere eine Krankheit, rechtfertigt allein noch keine Überwachungsmaßnahmen. Die deutschen Gerichte und Datenschutzgesetze stellen den Schutz der Privatsphäre klar über Kontrollinteressen.

Krankheitsverdacht: Keine Überwachung aus Bauchgefühl

Der unmittelbare Auslöser der Debatte ist die aktuelle Handreichung für Personalverantwortliche. Sie behandelt eine wachsende Sorge: Was tun bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines im Home-Office tätigen Mitarbeiters?

Die Antwort des Rechts ist eindeutig. Eine Überwachung – etwa durch einen Privatdetektiv – ist strikt verboten, wenn sie nur auf einem „unguten Gefühl“ oder pauschalen Verdacht basiert. Erforderlich sind vielmehr „konkrete, objektive Anhaltspunkte“, die den Beweiswert der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) erschüttern.

  • Keine pauschale Verdachtskontrolle: Dass ein Mitarbeiter häufig montags oder freitags krankmeldet, reicht für sich genommen nicht aus.
  • Hohe Beweislast: Um eine Überwachung zu rechtfertigen, muss der Arbeitgeber bereits Beweise haben, die auf vorgetäuschte Erkrankung hindeuten – etwa Zeugenaussagen oder widersprüchliche Social-Media-Posts.
  • Folgen illegaler Maßnahmen: Durch unrechtmäßige Überwachung gewonnene Beweise sind vor Gericht meist unverwertbar. Der betroffene Mitarbeiter kann zudem Schadensersatz wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geltend machen.

Der Schutz der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes gilt auch für erkrankte Heimarbeiter. Die Überwachung der eigenen vier Wände bleibt damit eines der riskantesten Unterfangen für Unternehmen.

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Digitale Kontrolle: Das Problem mit Keyloggern und Screenshots

Neben Einzelfällen bei Krankmeldung ist die systematische digitale Überwachung ein massives Compliance-Risiko. Rechtsanwälte betonen immer wieder: Der Einsatz von Keyloggern, Screenshot-Software oder Dauer-Kameraüberwachung ist grundsätzlich rechtswidrig, es sei denn, ein konkreter Verdacht liegt vor.

Deutsches Arbeitsrecht unterscheidet scharf zwischen der Kontrolle von Ergebnissen und der Kontrolle von Verhalten:
* Ergebniskontrolle (erlaubt): Prüfen, ob ein Projekt termingerecht abgeschlossen oder ein Umsatzziel erreicht wurde.
* Verhaltenskontrolle (verboten): Erfassen von Mausbewegungen, Tastenanschlägen oder Bildschirmzeiten, um die „Anwesenheit“ zu überprüfen.

Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist klar: Verdeckte technische Überwachung ist nur zulässig bei einem dokumentierten, begründeten Verdacht auf eine Straftat wie Zeiterfassungsbetrug oder Datendiebstahl. Eine „präventive“ oder „stichprobenartige“ Einführung verstößt gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

Der Betriebsrat als mächtige Kontrollinstanz

In Betrieben mit einem Betriebsrat sind die Hürden für Überwachung noch höher. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.

Dieses Recht ist umfassend und betrifft:
* Microsoft 365 / Teams Analytics: Selbst Standardfunktionen, die „Aktivitätslevel“ oder „Antwortzeiten“ melden, unterliegen der Mitbestimmung, wenn sie zur Leistungsbewertung genutzt werden können.
* Zeiterfassungssysteme: Die Erfassung der Arbeitszeit ist zwar nach EuGH und BAG verpflichtend. Die Methode der Erfassung und die für die Führungskräfte zugänglichen Daten müssen jedoch mit dem Betriebsrat vereinbart werden.
* GPS-Tracking: Bei Außendienstmitarbeitern oder Firmenfahrzeugen dürfen GPS-Daten nicht zur Leistungskontrolle genutzt werden – es sei denn, eine Betriebsvereinbarung regelt dies.

Rechtsexperten warnen: Jeder Versuch, den Betriebsrat zu umgehen, macht die gesammelten Daten in arbeitsrechtlichen Verfahren wertlos. Wird Überwachungssoftware ohne gültige Betriebsvereinbarung installiert, riskiert der Arbeitgeber nicht nur Klagen, sondern auch die Unwirksamkeit einer darauf gestützten Kündigung.

Ausblick 2026: Gesetzesreform auf Eis

Eigentlich sollte das geplante Beschäftigtendatenschutzgesetz für mehr Klarheit sorgen. Doch der Gesetzentwurf, der regeln sollte, welche Daten Arbeitgeber auch im Home-Office erheben dürfen, liegt auf Eis. Nach dem Scheitern der Regierungskoalition Ende 2024 gibt es bis heute, im Dezember 2025, kein spezielles Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz.

Unternehmen müssen sich daher weiterhin an die allgemeinen Vorgaben der DSGVO und des BDSG halten, wie sie die Arbeitsgerichte auslegen. Für 2026 gilt also weiter das strenge, richterrechtlich geprägte Regime des BAG. Die Devise für Arbeitgeber lautet: „Weniger ist mehr“ bei der Datenerhebung. Pauschale Dauerüberwachung im Home-Office bleibt unverhältnismäßig und rechtswidrig.

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