EU-Digitalreform: Droht das Ende der DSGVO?
16.11.2025 - 20:29:11Brüssel steht Kopf: Ein geleaktes Gesetzespaket der EU-Kommission könnte den Datenschutz in Europa radikal verändern. Schon vor der offiziellen Vorstellung am Mittwoch formiert sich massiver Widerstand – von Bürgerrechtlern bis ins Parlament. Was ist dran an den Plänen, die DSGVO für den KI-Boom zu opfern?
Der sogenannte „Digitale Omnibus” soll am 19. November präsentiert werden. Offiziell geht es um Bürokratieabbau und Vereinfachung. Doch durchgesickerte Entwürfe zeichnen ein anderes Bild: Die Datenschutz-Grundverordnung, seit Jahren das Aushängeschild europäischer Digitalpolitik, könnte massiv aufgeweicht werden. Das Ziel? Europa soll im globalen KI-Wettrennen aufholen – koste es, was es wolle.
Die geplanten Änderungen haben es in sich. Besonders brisant: Unternehmen könnten künftig weit einfacher auf das „berechtigte Interesse” als Rechtsgrundlage zurückgreifen. Bisher mussten Nutzer in vielen Fällen explizit zustimmen, etwa wenn ihre Daten zum Training von KI-Modellen genutzt werden. Diese Hürde könnte fallen.
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Noch drastischer wird es bei sensiblen Daten. Gesundheitsinformationen, politische Ansichten, sexuelle Orientierung – all das genießt heute besonderen Schutz nach Artikel 9 der DSGVO. Die Reform könnte diesen Schutz aushebeln, indem sie eine Hintertür öffnet: Nur noch explizit als sensibel gekennzeichnete Daten wären geschützt. Was durch Algorithmen aus scheinbar harmlosen Informationen abgeleitet wird? Vermutlich Freiwild.
Auch pseudonymisierte Daten, die bislang unter die DSGVO fallen, stehen auf der Streichliste. Für Datenschützer ein Albtraum: Pseudonymisierung galt als cleverer Kompromiss zwischen Innovation und Privatsphäre. Fällt dieser Schutz, öffnet sich die Tür für weitreichendes Tracking.
Aufstand der Digital-Verteidiger
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen schlugen in einem offenen Brief Alarm. Der Chaos Computer Club, AlgorithmWatch und Dutzende weitere warnen vor dem „größten Rückschritt bei digitalen Grundrechten” in der EU-Geschichte. Ihre Botschaft: Was hier geplant wird, untergräbt systematisch, wofür Europa jahrelang gekämpft hat.
Im Europaparlament rumort es gewaltig. Grüne und Sozialdemokraten sprechen von gefährlicher Deregulierung und werfen der Kommission vor, dem Druck von Big Tech und der US-Regierung nachzugeben. Besonders pikant: Selbst die erst 2024 beschlossene KI-Verordnung soll schon wieder entschärft werden – noch bevor sie richtig greift. Geplant ist offenbar, Strafen für den Vertrieb gefährlicher KI-Systeme zu verschieben.
Kann das wirklich sein? Die EU, die gerade erst mit dem AI Act globale Standards setzen wollte, macht einen Rückzieher, bevor das Gesetz überhaupt in Kraft tritt?
Innovation oder Ausverkauf der Grundrechte?
Die Kommission sitzt zwischen allen Stühlen. Auf der einen Seite der Vorwurf, Europa würde im Technologie-Wettlauf mit den USA und China zurückfallen. Deutsche Unternehmen wie SAP oder die Telekom fordern seit Jahren klarere, einfachere Regeln. Die komplexen Vorschriften – DSGVO, Data Act, AI Act – würden Innovation ersticken und Startups das Leben schwer machen.
Die Gegenseite argumentiert fundamental anders: Starker Datenschutz sei kein Hindernis, sondern Standortvorteil. Vertrauen ist die Währung der digitalen Wirtschaft. Nur wenn Bürger darauf vertrauen können, dass ihre Daten geschützt sind, akzeptieren sie neue Technologien. Der berühmte „Brussels Effect” – dass EU-Regeln weltweit zum Standard werden – basiert genau darauf.
Eine Deregulierung würde diesen Vertrauensvorschuss verspielen. Und was wäre gewonnen, wenn europäische KI-Firmen zwar schneller trainieren könnten, aber niemand ihre Produkte nutzen will?
Mittwoch wird zur Zerreißprobe
Am 19. November wird sich zeigen, wie ernst die Kommission die Kritik nimmt. Die Vorab-Empörung ist enorm, die politische Schlacht programmiert. Selbst wenn das Paket wie geplant vorgestellt wird, steht eine monatelange Auseinandersetzung im Parlament bevor.
Für Verbraucher und Unternehmen in Europa geht es um mehr als technische Details. Es geht um die grundsätzliche Frage: Soll die EU ihren Weg fortsetzen, Menschen und ihre Grundrechte ins Zentrum der Digitalisierung zu stellen? Oder kippt sie unter dem Druck des KI-Booms ihre eigenen Prinzipien?
Die Antwort darauf könnte die europäische Digitallandschaft für ein Jahrzehnt prägen – im Guten wie im Schlechten.
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