BGH, Haftung

BGH weitet Haftung für Ex-Geschäftsführer massiv aus

25.12.2025 - 02:22:12

Ein Grundsatzurteil stellt klar, dass ehemalige Geschäftsführer für Schäden aus von ihnen etablierten Systemen haften, auch wenn der Vertragsschluss nach ihrer Abberufung erfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat die persönliche Haftung von ehemaligen Vorständen und Geschäftsführern dramatisch verschärft. Ein neues Grundsatzurteil stellt klar: Wer ein schädliches System etabliert, haftet auch für Schäden, die nach seiner offiziellen Entlassung entstehen.

Ein Präzedenzfall mit Signalwirkung

Das Urteil (Az. II ZR 114/24) vom 2. Dezember 2025, das diese Woche durch die Fachpresse bekannt wurde, markiert eine Zäsur im deutschen Gesellschaftsrecht. Der BGH entschied, dass Geschäftsführer selbst für Verträge persönlich haften können, die erst nach ihrer formellen Abberufung geschlossen werden – vorausgesetzt, sie haben das schädigende System zuvor aufgebaut.

Konkret ging es um einen Betrugsfall: Ein Ex-Geschäftsführer hatte einem Anleger im März 2020 Unterlagen für ein wertloses Investment zugesandt. Im November 2020 wurde er abberufen, doch der Anleger unterzeichnete den Vertrag erst im Dezember. Der BGH ließ die Verteidigung nicht gelten, die Entlassung schütze vor Haftung. Das Gericht sah die „Falle“ bereits während der Amtszeit gestellt.

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Die „Zwei-Status“-Realität wird komplexer

Das Urteil verschärft die ohnehin komplizierte Rechtsstellung deutscher Manager erheblich. Nach der sogenannten Trennungstheorie haben Geschäftsführer zwei voneinander getrennte Status: Ihre Organstellung (Vertretungsmacht) und ihren Anstellungsvertrag.

Die Organstellung kann von den Gesellschaftern jederzeit widerrufen werden – oft sofort. Der BGH stellt nun klar: Die Haftung überdauert diesen Widerruf. Entscheidend sind drei Kriterien:
1. Das schädigende System wurde während der Amtszeit etabliert.
2. Der Ex-Manager übte weiterhin eine „leitende Tätigkeit“ aus.
3. Der konkrete Schadensfall wurde bereits in der Amtszeit angebahnt.

„Der BGH hat hier eine Lücke geschlossen“, analysiert ein anonymer Gesellschaftsrechtsexperte. „Eine formelle Entlassung ist kein Schutzschild mehr vor zivilrechtlicher Haftung. Wer ein korruptes System aufbaut, trägt die Schäden davon – auch wenn er das Gebäude bereits verlassen hat.“

Paradox: Mehr Kündigungsschutz, aber mehr Haftung

Interessant ist der zeitliche Kontext: Während das BGH-Urteil die Haftungsrisiken erhöht, hat sich die arbeitsrechtliche Position entlassener Manager 2025 faktisch verbessert.

Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied im Januar 2025 (Az. 8 Sa 153/24), dass ein von seiner Organstellung entbundener Manager unter Umständen zum „normalen“ Arbeitnehmer wird – und damit unter den strengen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Aktive Organmitglieder genießen diesen Schutz nicht.

Für das Jahr 2026 ergibt sich daraus ein paradoxes Bild für entlassene Führungskräfte:
* Im Arbeitsrecht könnten sie besser gegen eine Kündigung geschützt sein.
* Im Haftungsrecht lauern weiterhin Risiken aus Altlasten, selbst wenn der Titel längst weg ist.

Folgen für Versicherungen und Exit-Verhandlungen

Die Entscheidung wird unmittelbare Auswirkungen haben. D&O-Versicherer dürften die sogenannte „Tail Coverage“ – also Deckung für nachvertragliche Ansprüche – noch kritischer prüfen, da das Haftungsfenster explizit geöffnet wurde.

In Exit-Verhandlungen werden Unternehmen schärfere Freistellungsklauseln fordern. Abgehende Manager müssen hingegen sicherstellen, dass sie jeden Anschein einer „fortdauernden Einflussnahme“ vermeiden, um die Kausalkette zu durchbrechen.

Der BGH sendet ein klares Signal: Maßgeblich ist nicht der Eintrag im Handelsregister, sondern die materielle Wirklichkeit von Macht und Einfluss. Für Unternehmen bedeutet das: Einen „schwarzen Schaf“-Chef zu entlassen, reicht nicht aus, um Haftungsrisiken zu stoppen, wenn dessen Politik weiterwirkt. Für Führungskräfte unterstreicht es die Notwendigkeit eines sauberen, dokumentierten Schnitts.

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Quellen: BGH, II ZR 114/24; Legal Tribune Online; Beck-Aktuell.

@ boerse-global.de