Bau-Turbo: Bundestag entscheidet diese Woche über umstrittenes Wohnungsgesetz
13.10.2025 - 15:13:02Der Bundestag entscheidet über beschleunigte Baugenehmigungen, während Kritiker vor Flächenfraß und sozialer Ungerechtigkeit warnen. Die Baubranche fordert staatliche Ein-Prozent-Kredite als Alternative.
Deutschland steckt in der Wohnungskrise. 600.000 fehlende Wohnungen könnten bis 2027 auf 830.000 ansteigen. Diese Woche entscheidet der Bundestag über den sogenannten „Bau-Turbo“ – ein Gesetz, das Genehmigungsverfahren auf zwei Monate verkürzen soll. Doch ein breites Bündnis aus Architekten, Umweltschützern und Sozialverbänden läuft Sturm gegen die Pläne.
Die Zahlen sind alarmierend: Baugenehmigungen befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Gleichzeitig verschärft sich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum dramatisch. Die Bundesregierung verspricht mit ihrem Turbo-Gesetz eine Lösung – doch Kritiker warnen vor den Nebenwirkungen.
Was der Bau-Turbo bringen soll
Paragraf 246e des Baugesetzbuches soll alles ändern. Kommunen können künftig bei Wohnprojekten auf langwierige Bebauungsplanverfahren verzichten. Statt jahrelanger Prüfung: Genehmigung in nur zwei Monaten.
Das Kalkül der Regierung ist simpel: Weniger Bürokratie bedeutet mehr Bauprojekte. Weniger Wartezeit bedeutet niedrigere Kosten. Das soll dem stockenden Wohnungsmarkt neuen Schwung verleihen.
Widerstand formiert sich: „Teuerturbo statt Bau-Turbo“
Ein mächtiges Bündnis stemmt sich gegen die Pläne. Bundesarchitektenkammer, Deutsche Umwelthilfe und Architects for Future haben sich zusammengeschlossen. Ihre Befürchtung: Der Bau-Turbo wird zum „Teuerturbo“.
Die Kritikpunkte sind konkret:
– Flächenfraß: Unkontrolliertes Bauen auf der „grünen Wiese“
– Bodenspekulation: Keine Baugebote gegen leerstehende Grundstücke
– Soziale Ungerechtigkeit: Kein Mindestanteil bezahlbarer Wohnungen
„Ohne diese Korrekturen nützt das Gesetz nur renditestarken Investoren“, warnt das Bündnis. Die soziale Frage bleibe auf der Strecke.
Baubranche fordert Ein-Prozent-Kredite
Die Immobilienwirtschaft kämpft mit gestiegenen Zinsen und explodierenden Materialkosten. Der Spitzenverband GdW und die Bauindustrie fordern drastische Hilfen.
Ihr Wunsch: Staatlich subventionierte Kredite für bezahlbaren Wohnungsbau zu nur einem Prozent Zinsen. Die Branche argumentiert, dass sich das durch angekurbelte Bautätigkeit und Steuereinnahmen selbst finanzieren würde.
Weitere Forderungen der Baulobby:
– Vereinfachtes Bauordnungsrecht bundesweit
– „Gebäudetyp E“ mit reduzierten Standards
– Digitale Genehmigungsverfahren
Ohne bessere Rahmenbedingungen bleibe das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr eine Illusion.
Die Alternative: „UmBau-Turbo“ statt Neubau-Wahn
Während alle über Neubau streiten, sehen Experten riesige Potenziale im Bestand. Durch Aufstockung, Umnutzung und Nachverdichtung könnten vier Millionen neue Wohnungen entstehen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: schneller, flächensparender und klimafreundlicher als Neubau. „Bezahlbarkeit entsteht dort, wo Straßen, Schulen und Nachbarschaften schon existieren“, betont die Bundesarchitektenkammer.
Dieser Ansatz würde auch den Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Baukosten entschärfen. Anstatt immer teurere Neubaustandards vorzuschreiben, könnte die Politik auf Bestandssanierung setzen.
Das Dilemma: Schnell vs. nachhaltig
23,5 Milliarden Euro stellt der Bund bis 2029 für sozialen Wohnungsbau bereit – eine Rekordsumme. Doch Geld allein löst die strukturellen Probleme nicht.
Die Regierung steht vor einem klassischen Dilemma: Einerseits der immense Druck, schnell Wohnraum zu schaffen. Andererseits die Notwendigkeiten von Klimaschutz und Flächenschutz.
Der Bau-Turbo könnte kurzfristig mehr Projekte ermöglichen, aber langfristige Ziele untergraben. Experten fordern eine Politik, die Soziales, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit integriert.
Anzeige: Passend zur Debatte um bezahlbaren Wohnraum: Wollen Sie auf einen Blick sehen, welche Mieten 2025 in Ihrer Stadt rechtlich zulässig sind? Der kostenlose Mietspiegel-Report liefert aktuelle Vergleichsmieten und rechtssichere Formulierungshilfen für Mieterhöhungen – kompakt in 5 Minuten. Ideal für Vermieter, die teure Formfehler vermeiden wollen. Jetzt kostenlosen Mietspiegel-Report 2025 herunterladen
Diese Woche fällt die Entscheidung
Was auch der Bundestag beschließt – die grundlegende Herausforderung bleibt. Deutschland braucht eine umfassende Reform des Baurechts, die den Umbau im Bestand stärkt.
Die kommenden Monate werden zeigen: Hat die Politik den Mut für einen echten Paradigmenwechsel? Einen Weg, der bezahlbares Wohnen und Klimaschutz miteinander versöhnt?
Die Wohnungskrise wird nicht mit einem einzigen Turbo-Gesetz gelöst. Dafür ist das Problem zu komplex, zu vielschichtig. Aber diese Woche könnte die Richtung vorgeben – für Jahre.