Arbeitszeiterfassung: Reform scheitert an Ampel-Aus
28.11.2025 - 02:00:12Die geplante Novelle des Arbeitszeitgesetzes ist tot. Mit dem Zerfall der Ampel-Koalition und den für Februar 2025 angesetzten Neuwahlen endet auch das Gesetzgebungsverfahren, das die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung endlich in Gesetz gießen sollte. Für Unternehmen bedeutet das: Die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts bleiben bestehen – nur fehlt jetzt die rechtliche Orientierung, die der Entwurf bieten sollte.
Während in Berlin das politische Chaos regiert, stehen Personalabteilungen vor einem Dilemma. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zeiterfassung gilt uneingeschränkt weiter, doch der versprochene gesetzliche Rahmen fehlt. Was nun?
Am 28. November 2025 ist es offiziell: Der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium, vorgelegt im April 2023, wird nicht mehr verabschiedet. Das parlamentarische Diskontinuitätsprinzip macht alle nicht abgeschlossenen Gesetzesvorhaben zunichte, sobald eine Legislaturperiode endet.
Der Entwurf hatte einen Mittelweg versprochen: Vertrauensarbeitszeit sollte möglich bleiben, gleichzeitig aber die elektronische Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit verpflichtend werden. Ein Kompromiss, der sowohl das EuGH-Urteil von 2019 als auch die BAG-Entscheidung vom September 2022 umsetzen sollte.
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Statt Klarheit herrscht nun ein Vakuum. Arbeitsrechtler warnen diese Woche eindringlich: Die Erfassungspflicht existiert durch das BAG-Urteil bereits heute – doch wie genau Unternehmen sie umsetzen müssen, bleibt gesetzlich ungeregelt. Die erhoffte Rechtssicherheit? Futsch.
Wahlkampf-Arena: Flexibilität gegen Gesundheitsschutz
Kaum ist das Gesetz gescheitert, wird die Arbeitszeitregelung zum zentralen Wahlkampfthema. In den letzten 72 Stunden haben sich die großen Verbände positioniert – und ihre Vorstellungen könnten unterschiedlicher nicht sein.
Die Arbeitgeber fordern Bewegungsfreiheit:
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nutzt das gescheiterte Reformprojekt als Chance für einen Neustart. In ihrer frisch gestarteten Kampagne „Starke Wirtschaft, starkes Land” fordert die BDA explizit den Wechsel von der täglichen Höchstarbeitszeit zu einer wöchentlichen Obergrenze von 48 Stunden.
„Wer die Zukunft will, muss alte Arbeitszeitregeln hinter sich lassen”, so BDA-Präsident Rainer Dulger. Der starre Achtstundentag passe nicht mehr in eine digitale, globalisierte Wirtschaft. Unternehmen bräuchten die Freiheit, Arbeitszeit flexibler über die Woche zu verteilen.
Die Gewerkschaften schlagen Alarm:
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kontert scharf. In Stellungnahmen dieser Woche bezeichnen Gewerkschaftsvertreter den Vorstoß als „Frontalangriff” auf Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten.
„Der Achtstundentag ist eine nicht verhandelbare Gesundheitsschutzgrenze”, betont der DGB. Die Befürchtung: Fällt die Tagesobergrenze, werden 13-Stunden-Schichten zur Normalität – mit drastisch erhöhtem Unfall- und Burnout-Risiko. Der DGB mobilisiert bereits seine Basis, wie jüngste Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen zeigen.
Vertrauensarbeitszeit: Geht das noch?
Für Millionen Beschäftigte in Vertrauensarbeitszeitmodellen ist die Lage besonders verwirrend. Die zentrale Frage: Kann Vertrauensarbeitszeit überleben, wenn jede Minute erfasst werden muss?
Der gescheiterte Gesetzentwurf hatte diesen Widerspruch auflösen wollen: Vertrauensarbeitszeit sollte weiter möglich sein, sofern der Arbeitnehmer selbst die Zeit erfasst. Ohne diese gesetzliche Klarstellung müssen sich Unternehmen allein auf die BAG-Rechtsprechung verlassen.
Laut Bundesarbeitsgericht bleibt Vertrauensarbeitszeit zulässig – aber das „Vertrauen” bezieht sich nur noch auf Ort und Verteilung der Arbeit, nicht auf die Dokumentation. Arbeitgeber können die Zeiterfassung nicht einfach streichen. Sie sind verpflichtet sicherzustellen, dass ein System existiert und genutzt wird – auch bei Vertrauensarbeitsmodellen.
Das alte „Laissez-faire”, bei dem „Vertrauen” gleichbedeutend mit „keine Aufzeichnungen” war? Rechtswidrig.
Was Personalabteilungen jetzt tun müssen
Trotz des politischen Stillstands hat sich die rechtliche Realität nicht geändert: Die Erfassungspflicht gilt heute. Auf eine neue Regierung zu warten, die Ende 2025 oder 2026 vielleicht ein Gesetz verabschiedet, ist riskant.
Konkrete Schritte für November 2025:
* Keine Abwartehaltung: Implementierungsprojekte nicht auf Eis legen in der Hoffnung auf eine Aufhebung. EuGH- und BAG-Urteile gelten unabhängig von deutschen Gesetzeslücken.
* „Objektive, verlässliche und zugängliche” Systeme einführen: Diese drei Kriterien stammen vom EuGH. Excel-Tabellen mögen für Kleinstteams ausreichen, für die meisten KMUs und Konzerne sind digitale Lösungen sicherer und compliant.
* Vertrauensarbeitszeit-Verträge aktualisieren: Arbeitsverträge sollten explizit die Erfassungspflicht erwähnen und die Dokumentationspflicht auf den Arbeitnehmer übertragen, während der Arbeitgeber die Kontrollpflicht behält.
* Den Wahlkampf im Blick behalten: Der Ausgang im Februar 2025 entscheidet, ob Deutschland zum „Wochenmodell” von CDU/CSU und FDP übergeht (potenziell mehr Flexibilität) oder bei den strengen Tagesgrenzen bleibt, die SPD und Grüne favorisieren.
Rechtssicherheit? Frühestens 2026
Deutschland steuert auf Neuwahlen zu – und das Arbeitszeitgesetz ist vom bürokratischen Projekt zum Symbol für die Zukunft der Arbeit geworden. Wird es der „flexible” Arbeitsmarkt nach BDA-Vorstellung oder der „geschützte” nach DGB-Lesart?
Für die kommenden Monate gilt: Unsicherheit ist die einzige Gewissheit. HR-Verantwortlichen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Compliance-Strategien vom politischen Zeitplan zu entkoppeln. Die juristischen Anforderungen bestehen bereits – mit oder ohne Ampel, mit oder ohne Reform.
Das Warten auf den Gesetzgeber könnte sich als teurer Fehler erweisen.
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