International, Klima

Ein Forschungsteam sieht die Erde auf dem Weg ins «Klima-Chaos»: Viele wichtige Faktoren entwickeln sich in die falsche Richtung.

29.10.2025 - 15:00:07

Erde am Limit – Klimakrise kostet Millionen von Leben. Das hat bereits deutliche Auswirkungen auf die Menschen.

  • Ältere und pflegebedürftige Menschen sind bei Hitze besonders gefährdet. (Illustration) - Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-tmn

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  • Waldbrände fachen mit ihren Emissionen die Erderwärmung zusätzlich an. (Illustraiton) - Foto: Daniel Vogl/dpa

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  • Vor einem wolkenlosen blauen Himmel zeigt ein Außenthermometer in einem Garten bereits am Vormittag über 30 Grad Lufttemperatur an. (Illustration) - Foto: Jens Büttner/dpa

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Ältere und pflegebedürftige Menschen sind bei Hitze besonders gefährdet. (Illustration) - Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-tmnWaldbrände fachen mit ihren Emissionen die Erderwärmung zusätzlich an. (Illustraiton) - Foto: Daniel Vogl/dpaVor einem wolkenlosen blauen Himmel zeigt ein Außenthermometer in einem Garten bereits am Vormittag über 30 Grad Lufttemperatur an. (Illustration) - Foto: Jens Büttner/dpa

Wäre die Erde ein Patient, läge sie wohl mittlerweile auf der Intensivstation: Einer aktuellen Studie zufolge haben rund zwei Drittel (22 von 34) Lebenszeichen des Planeten ein Rekordniveau erreicht – und das ist in den meisten Fällen nicht positiv. «Ohne wirksame Strategien werden wir schnell mit eskalierenden Risiken konfrontiert sein, die Frieden, Regierungssysteme sowie öffentliche Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme zu überwältigen drohen», sagt Studienautor William Ripple von der Oregon State University, der mit einem internationalen Team im Fachblatt «BioScience» über die Vitalzeichen der Erde berichtet.

Schon jetzt hat die Klimaerwärmung starke Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen wie ein Bericht zeigt, der am selben Tag im Fachjournal «The Lancet» veröffentlicht wurde. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Erderwärmung und das langsame Tempo bei der Anpassung an den Klimawandel kosten demnach jedes Jahr weltweit Millionen von Menschen das Leben. 12 von 20 Indikatoren für klimabedingte Gesundheitsgefahren hätten Rekordwerte erreicht. Die Autorinnen und Autoren sprechen von einer «beispiellosen Bedrohung für Gesundheit und Leben weltweit». 

Hitze, Luftverschmutzung, Infektionskrankheiten

Seit den 1990er Jahren ist die Zahl hitzebedingter Todesfälle laut Bericht global um 23 Prozent gestiegen – auf jährlich durchschnittlich etwa 546.000 im Durchschnitt der Jahre 2012-2021. Zudem sterben jährlich rund 2,5 Millionen Menschen durch die Luftverschmutzung, die direkt auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurückzuführen ist. Während Öl- und Gaskonzerne ihre Produktion ausbauen, gaben Regierungen weltweit im Jahr 2023 rund 956 Milliarden US-Dollar für fossile Subventionen aus – mehr als 15 Staaten sogar mehr als für ihre nationalen Gesundheitsbudgets. 

Das Team um Marina Romanello vom University College London weist darauf hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend wirtschaftliche Schäden verursachen. Allein im Jahr 2024 gingen demnach weltweit 639 Milliarden Arbeitsstunden durch Hitze verloren. Das seien 98 Prozent mehr als im Schnitt der Jahre 1990 bis 1999 und entspreche einem Einkommensverlust von rund 1,09 Billionen US-Dollar.

Bestimmte Maßnahmen wirken bereits

Gleichzeitig zeigen die Daten, dass bereits eingeleitete Maßnahmen wirken. Der Umstieg auf saubere Energien habe seit 2010 jährlich etwa 160.000 vorzeitige Todesfälle verhindert, vor allem durch sauberere Luft infolge des Rückgangs von Kohleverbrennung in reicheren Ländern. Der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung erreichte 2022 mit zwölf Prozent einen Höchststand. Romanello betonte: «Wir haben die Lösungen in der Hand, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden. Von sauberer Energie bis zu gesünderen Ernährungsweisen – diese Maßnahmen könnten über zehn Millionen Leben pro Jahr retten.»

Lebenszeichen der Erde zeigen Negativrekorde

Eine durchgreifende Lösung scheint aber noch weit entfernt zu sein, wie die Bestandsaufnahme der Erde im Fachblatt «BioScience» zeigt. Dabei geht es etwa um CO2-Emissionen, Waldverlust durch Brände oder Meerestemperaturen – die genannten gehören zu jenen 22, die neue Rekordstände erreicht haben. 

Das internationale Team, an dem auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, beteiligt ist, sieht in seiner Bestandsaufnahme einen Beleg dafür, dass sich unser Planet dem «Klima-Chaos» annähert. Etliche Lebenszeichen entwickelten sich rapide in die falsche Richtung.

«Klima-Chaos» nimmt Fahrt auf

2024 sei bereits das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen – und das aktuelle Jahr sehe nicht besser aus: «Bislang hat das Kohlendioxid in der Atmosphäre 2025 einen Rekordwert erreicht, der wahrscheinlich durch einen plötzlichen Rückgang der Kohlenstoffaufnahme durch Landflächen, teilweise aufgrund von El Niño und intensiven Waldbränden, noch verschlimmert wurde», erklären die Autoren. Eine gefährliche Entwicklung durch eine beschleunigte Erwärmung, Rückkopplungseffekte und mögliche Kipppunkte könne wahrscheinlicher geworden sein.

Ein Beispiel: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre sei schneller gestiegen, als die Emissionen fossiler Brennstoffe es vermuten ließen – den Autoren zufolge hatten die enormen Waldbrände in vielen Regionen der Welt ihren Anteil. 

«Wir können die Erderwärmung noch begrenzen»

Das Team ruft zum Umsteuern auf. «Strategien zur Eindämmung des Klimawandels sind verfügbar, kosteneffizient und dringend erforderlich. Von Waldschutz und erneuerbaren Energien bis hin zu überwiegend pflanzlicher Ernährung – wir können die Erderwärmung noch begrenzen, wenn wir entschlossen und schnell handeln.»

Ein besonderes Augenmerk wirft das Team auf die Verschwendung von Lebensmitteln, die acht bis zehn Prozent der weltweiten Emissionen ausmache. «Die Kosten für die Eindämmung des Klimawandels dürften weitaus geringer sein als die globalen wirtschaftlichen Schäden, die klimabedingte Auswirkungen verursachen könnten», betonen die Forschenden.

@ dpa.de