ROUNDUP, Merz

Russland-Sanktionen, Gaza-Krieg, Zollstreit mit den USA: Ziemlich genau 16 Stunden lang hat Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner EU-Gipfelpremiere mit den Chefs der 26 anderen Mitgliedstaaten in fensterlosen Räumen verhandelt.

27.06.2025 - 06:35:06

So war Merz' erster EU-Gipfel

Am Ende konnte er trotzdem sagen: "Ich habe mich hier ausgesprochen wohl gefühlt." Es sei eine "fruchtbare, sehr konstruktive und auch sehr kollegiale Atmosphäre" gewesen, in der es ihm "zu keinem Zeitpunkt irgendwo heute langweilig geworden" sei.

Für Merz bedeutete der Gipfel die Rückkehr an den Ort, an dem er seine politische Karriere von 1989 bis 1994 als Mitglied des Europäischen Parlaments begonnen hatte. Nun will er Deutschland wieder in eine echte Führungsrolle in der EU bringen. Er wolle seinen "persönlichen Beitrag dazu leisten, dass Europa erfolgreich in die nächsten Jahre geht", sagte er.

Bei seinem ersten Gipfel hielten sich die Erfolge aber noch in sehr engen Grenzen.

Keine Einigung bei Zusammenarbeit mit Israel

Keine Einigung konnten Merz und die anderen Staats- und Regierungschefs mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit Israel erzielen. In der Abschlusserklärung zu dem Thema wurde lediglich ein interner Prüfbericht der EU zur Kenntnis genommen, demzufolge Israel mit seinem Vorgehen im Gazastreifen gegen festgelegte Grundsätze für eine enge Zusammenarbeit mit der EU verstößt. Man wolle die Beratungen "über geeignete Folgemaßnahmen im Juli 2025 unter Berücksichtigung der Entwicklung der Lage vor Ort" fortsetzen, heißt es in dem Papier.

Mehrere EU-Regierungen hatten zuvor wegen des Prüfbericht-Ergebnisses ein härteres Vorgehen gegen Israel gefordert. Spanien etwa will das seit 2000 gültige Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel aussetzen. Dafür bräuchte es jedoch Einstimmigkeit. Auch wirtschaftliche Sanktionen oder eine Blockade von Israels Zugang zum EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon stehen im Raum.

Bundeskanzler Merz lehnt die von Spanien und anderen Ländern geforderten Konsequenzen jedoch strikt ab. "Ein Außerkraftsetzen oder gar eine Kündigung dieses Abkommens kommt mit der Bundesregierung nicht infrage", sagte er zuletzt.

Slowakei blockiert Pläne für neue Russland-Sanktionen

Eine Enttäuschung gab es beim Gipfel auch beim Thema Russland-Sanktionen. Kanzler Merz und zahlreiche andere Staats- und Regierungschefs hatten gehofft, dass sie eine politische Grundsatzeinigung auf ein neues Paket erzielen können. Ministerpräsident Robert Fico kündigte aber an, ein Veto einzulegen, sollte an diesem Freitag wie geplant über die Strafmaßnahmen abgestimmt werden.

Fico will mit dem Vorgehen erzwingen, dass sein Land kompensiert wird, wenn ein Plan der EU-Kommission für einen kompletten Importstopp von russischem Gas zu wirtschaftlichen Schäden in der Slowakei führen sollte. Diesen Plan kann Fico nicht blockieren, weil er im Gegensatz zu dem Sanktionspaket auch per Mehrheitsentscheidung gegen den Willen der Slowakei entschieden werden kann.

Keine Fortschritte für die Ukraine

Wegen Ungarn konnte der EU-Gipfel zum dritten Mal in Folge keine gemeinsamen Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine fassen. Für das von Russland angegriffene Land bedeutet dies vor allem, dass es weiter nicht auf schnelle Fortschritte im EU-Beitrittsprozess hoffen kann. Nur ein schwacher Trost dürfe für die Ukraine sein, dass alle anderen Gipfelteilnehmer ihr Tempo bei beitrittsbezogenen Reformen würdigten und die bereits erzielten als erheblich bezeichneten.

Ungarn lehnt einen EU-Beitritt der Ukraine unter anderem deswegen ab, weil es befürchtet, dass die EU dadurch auch in einen Krieg mit Russland geraten könnte. Immerhin sicherte Ungarn aber zu, der im Juli anstehenden Verlängerung der bereits bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht im Wege zu stehen.

Mercosur-Abkommen bald in trockenen Tüchern?

Für Merz dürfte neben einer guten Eingliederung in die gesamte Truppe der EU-Spitzen vor allem der Draht zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron wichtig sein. Nachdem sein Vorgänger Olaf Scholz diesen nie fand, will Merz einen "Neustart" in den deutsch-französischen Beziehungen.

Ganz der gleichen Meinung scheinen die beiden aber noch nicht immer zu sein. Während der deutsche Kanzler mit einem schnellen Abschluss des Handelsabkommens zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten rechnet, sagte der französische Präsident im Anschluss an das Gipfeltreffen deutlich, Frankreich könne es in seiner jetzigen Form nicht mittragen.

Gibt es bald einen Deal im Zollstreit mit den USA?

Während des EU-Gipfels ging in Brüssel ein neues US-Angebot für eine Einigung im Zollstreit ein. Ist es annehmbar? Die für die Verhandlungen zuständige EU-Kommission wollte sich zum Inhalt und zur Bewertung des Textes öffentlich nicht äußern. Merz machte nach den Beratungen allerdings deutlich, dass er den Sack am liebsten schnell zumachen würde.

"Lieber jetzt schnell und einfach, als langsam und hoch kompliziert", sagte er in einer Pressekonferenz. Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten Zölle gefährdeten deutsche Unternehmen. Besonders für die Automobilindustrie, die chemische Industrie, die pharmazeutische Industrie, den Maschinenbau und die Stahl- und Aluminiumbranche brauche es eine Lösung.

Merz äußerte sich vor dem Hintergrund, dass US-Präsident Donald Trump ab dem 9. Juli noch mehr Zölle in Kraft treten lassen will, wenn die EU den USA in Handelsfragen nicht entgegenkommt. Der Republikaner begründet seinen Kurs vor allem damit, dass er angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren will.

Euro für Bulgarien

Einig waren sich die Staats- und Regierungschefs immerhin, dass die Menschen in Bulgarien bald mit dem Euro zahlen sollen: Sie stellten sich hinter den Vorschlag der EU-Kommission, der die Einführung der Gemeinschaftswährung in dem Balkanland zum 1. Januar 2026 erlaubt. Zuvor hatten dies bereits die EU-Finanzminister getan, die nun noch einmal formell zustimmen müssen. Bulgarien ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union und wäre das 21. Land mit der Gemeinschaftswährung. Es gehört zu den ärmeren EU-Ländern.

@ dpa.de

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