Deutschland, Belgien

Dass ein belgisches Festival einen israelischen Musiker aus politischen Gründen auslädt, hat in Deutschland scharfen Protest ausgelöst.

12.09.2025 - 13:43:43

Zeichen der Solidarität: Lahav Shani dirigiert in Berlin. Nun reagiert das Musikfest Berlin mit einer Willkommensgeste.

  • Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, intervenierte auch auf diplomatischen Kanälen (Archivbild). - Foto: Michael Kappeler/dpa

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  • Lahav Shani wurde in Belgien ausgeladen. (Archivbild)  - Foto: Sven Hoppe/dpa

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  • Lahav Shani ist in Berlin sehr willkommen. (Archivbild)  - Foto: Sven Hoppe/dpa

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Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, intervenierte auch auf diplomatischen Kanälen (Archivbild). - Foto: Michael Kappeler/dpaLahav Shani wurde in Belgien ausgeladen. (Archivbild)  - Foto: Sven Hoppe/dpaLahav Shani ist in Berlin sehr willkommen. (Archivbild)  - Foto: Sven Hoppe/dpa

Im belgischen Gent wurde ihr Auftritt aus politischen Gründen gestrichen - nun sind die Münchner Philharmoniker mit dem israelischen Dirigenten Lahav Shani kurzfristig zum Musikfest Berlin geladen. Mit dem Konzert am Montag solle ein Zeichen gesetzt werden «für die verbindende Kraft der Kunst, die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaften in Europa und gegen Antisemitismus, Diskriminierung und den Boykott in Kunst und Wissenschaft», teilten die Organisatoren mit.

Das belgische Flanders Festival Ghent hatte den in Tel Aviv geborenen Shani kurzfristig ausgeladen, weil dieser auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra sei. Im Lichte dieser Rolle von Shani sei man nicht in der Lage, für «die nötige Klarheit» zu seiner Haltung gegenüber dem «genozidalen Regime» in Israel zu sorgen, hieß es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals. Hintergrund ist der Streit über das israelische Vorgehen im Gazastreifen nach dem tödlichen Angriff der palästinensischen Terrorgruppe Hamas vom 7. Oktober 2023. Israels weist den Vorwurf des Völkermords zurück.

Weimer protestiert in Brief

Die Ausladung löste in Deutschland scharfe Reaktionen aus. Dem belgischen Festival wurde Antisemitismus vorgeworfen. Die deutsche Botschaft in Belgien beendete ihre Zusammenarbeit mit dem Festival, wie eine Sprecherin bestätigte. Zuvor hatte die «Jüdische Allgemeine» berichtet.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will den Vorfall zum Thema mit seinem belgischen Amtskollegen Bernard Quintin machen, wie er Welt TV sagte. «Ich finde die Situation absolut inakzeptabel.»

Ministerpräsident reagiert

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hatte bereits auf diplomatischen Kanälen protestiert. «Ich habe einen Brief geschrieben an meine belgische Amtskollegin und wir haben auch im Auswärtigen Amt die Kommunikation aktiviert, weil wir das nicht akzeptieren wollen, was dort passiert ist», sagte Weimer bei Welt TV.

Auf die Kritik reagierte der belgische Ministerpräsident Bart De Wever. Er schrieb auf der Plattform X, die Entscheidung des Festivals sei zu Recht als antisemitisch bezeichnet worden und habe dem Ansehen Belgiens schweren Schaden zugefügt. «Jemandem allein aufgrund seiner Herkunft ein Berufsverbot aufzuerlegen, ist sowohl leichtsinnig als auch unverantwortlich.»

«Wunderbares Zeichen»

Die Einladung des Musikfests Berlin lobte Weimer als «wunderbares Zeichen». Er dankte dem Intendanten der Berliner Festspiele, Matthias Pees, der dies kurzfristig möglich gemacht habe. «Das ist in Zeiten, in denen sich blanker Judenhass immer stärker Bahn bricht, ein wichtiges, ehrliches Solidaritätsbekenntnis innerhalb der Kulturszene», meinte Weimer.

Die Einladung war eine Initiative der Berliner Festspiele und der Stiftung Berliner Philharmoniker zusammen mit dem Konzerthaus Berlin. Das Ensemble sei am Montagabend (15. September) im Konzerthaus am Gendarmenmarkt herzlich willkommen, hieß es. Zuvor hatte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtet. Auf dem Plan stehen das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven mit Lisa Batiashvili als Solistin sowie aus Richard Wagners «Tristan und Isolde» das Vorspiel und «Isoldens Liebestod».

«Purer Antisemitismus»

Die Absage aus Gent hatte auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, im Gespräch mit der Funke Mediengruppe als «puren Antisemitismus» bezeichnet. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wies darauf hin, dass es der in Deutschland gebräuchlichen Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken zufolge antisemitisch sei, Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen.

Die rechtsreligiöse Regierung um Benjamin Netanjahu wird zwar auch im eigenen Land teilweise scharf kritisiert. Sie ist aber vor drei Jahren demokratisch gewählt worden. In der Kulturszene in Deutschland traf die Absage an Shani wegen angeblich nicht ausreichender Distanzierung auf breite Ablehnung.

«Reflektierter Künstler»

Die Berliner Philharmoniker äußerten Bestürzung und Unverständnis. «Lahav Shani ist unserem Orchester seit seinem Debüt im September 2020 eng verbunden», hieß es in einer Erklärung. «In dieser Zeit haben wir ihn als reflektierten Künstler und einen Menschen kennengelernt, der sich – gerade im Hinblick auf den Nahost-Konflikt – immer wieder klar für Frieden, Dialog und Versöhnung ausgesprochen hat.» 

Der Starpianist Igor Levit äußerte sich in der ARD «wütend und erschüttert» über den Vorgang. Der Leiter des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, der israelische Dirigent Omer Meir Wellber, sagte: «Ich denke, Freiheit und Unabhängigkeit sind die ersten Dinge, die wir Künstler und Kulturinstitutionen schützen sollten.»

Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz, Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch, sprach von einem Tabubruch. «Kunst lebt vom Dialog, nicht von Boykott», mahnte die CDU-Politikerin.

@ dpa.de

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