Nationalmannschaft, DFB

Wieder nichts.

17.06.2023 - 11:59:40

Tristesse in Warschau: Flicks DFB-Team tief im Krisenmodus. Nach dem nächsten ernüchternden Ergebnis steigt der Druck auf Bundestrainer Hansi Flick. Siege seien jetzt «elementar», sagt er. Eine Chance dazu gibt es im Juni noch.

Rudi Völler verspürte keine Lust, den nächsten Mittelklassekick der Fußball-Nationalmannschaft zu kommentieren. Bedrückt verließ der DFB-Sportdirektor das große Warschauer Nationalstadion, zuvor war auch schon Verbandspräsident Bernd Neuendorf in den Katakomben ohne Halt an den deutschen Reportern vorbeigelaufen.

Was in den Spitzenfunktionären nach dem 0:1 gegen eine biedere polnische Auswahl vorging, war auch ohne Wortmeldungen zu erahnen. Ihre klare Aufgabe, die vergraulten Fans nach dem WM-Aus in Katar mit begeisterndem Fußball zurückzugewinnen, hat Bundestrainer Hansi Flick nicht erfüllt - im Gegenteil.

Flick kann Zweifel und Kritik «durchaus verstehen»

Ein Remis mit haarsträubenden Fehlern gegen die Ukraine, eine Niederlage gegen Polen, Flicks öffentlicher Schlingerkurs im Umgang mit seinen Spielern. Selbst ein Sieg am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) gegen den Weltranglisten-17. Kolumbien wird die Stimmung in diesem Sommer ein Jahr vor der Heim-EM kaum nachhaltig zum Guten wenden. Erfolge seien jetzt «elementar», erkannte Flick, der von seinem Plan aber nicht abrückt.

Er könne die Zweifel und die Kritik «durchaus verstehen», sagte der Bundestrainer spät am Abend mit ruhiger Stimme. «Aber es gibt natürlich auch Phasen, die dann so verlaufen. Und ich bin absolut überzeugt von dem Weg, den wir gehen.» Das Engagement könne seinem Team nicht abgesprochen werden. Für die letzte Juni-Partie wird Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan auf den Platz zurückkehren, kündigte der Bundestrainer an.

Am Tag danach war Völler vor dem Rückflug des DFB-Trosses nach Frankfurt/Main bemüht, das Positive hervorzuheben. «Von der ersten Halbzeit waren wir alle enttäuscht», sagte der einstige DFB-Teamchef. «In der zweiten Halbzeit ist die Mannschaft so aufgetreten, wie wir das erwarten. Sie hat die richtige Reaktion auf den Rückstand zur Pause gezeigt.» Ein Erfolgserlebnis «hätte der Mannschaft natürlich gutgetan». 

Die ersten Internetportale eröffneten am Samstagmorgen Umfragen, ob Flick noch der Richtige sei. Welche Dynamik sich bei einem ernüchternden Remis oder gar einer Niederlage zum Saisonabschluss in Gelsenkirchen entwickeln würde, ist leicht vorherzusehen. Auf die Frage, ob es die Mannschaft belaste, dass Flick medial infrage gestellt werde, antwortete Kapitän Joshua Kimmich: «Ich hatte bisher noch nicht das Gefühl. Ich hoffe, dass es den Bundestrainer auch nicht belastet, weil wir als Mannschaft stehen hinter ihm.»

DFB-Auswahl bleibt in Polen torlos

Gegen Polen hatte der Bundestrainer die Startelf auf neun Positionen verändert und sich zuvor wie eine Löwenmutter vor die verunsicherten Spieler gestellt. Zu Beginn des Lehrgangs war Flicks öffentliche Kritik am nicht nominierten Niklas Süle das große Thema gewesen. Auf der Position des Dortmunders im Abwehrzentrum war in Warschau immerhin Debütant Malick Thiaw ein Lichtblick. Ein «Highlight, wenn man das heute so sagen kann», äußerte Flick über den 21-Jährigen, der seit einem Jahr für die AC Mailand aufläuft. Auch Völler sprach von einem «sehr starken» Debüt.

«In der ersten Halbzeit war schon zu spüren, dass wir viel auf Fehlervermeidung aus waren», sagte Kimmich. «Da wollten wir nicht zu viel riskieren, weil schon im Kopf ist, dass wir Spiele gewinnen müssen.» Die zweite Hälfte war deutlich besser, aber der gute polnische Torwart Wojciech Szczesny vereitelte mehrere deutsche Großchancen. Der Ausgleich fiel nicht, das bleibt in Erinnerung.

«Es ist schon erschreckend, dass wir es dann nicht hinkriegen, da irgendwie ein Tor zu schießen», sagte der spät eingewechselte Stürmer Niclas Füllkrug. «Und dass dann hinten eine Ecke reinfliegt, beschreibt unsere Situation ziemlich gut.» Den entscheidenden Treffer erzielte Jakub Kiwior (31.). Der zweimalige Weltfußballer Robert Lewandowski spielte bei den Polen nur 45 Minuten. Der Ex-Bayern-Star war danach bemüht, Mut zu machen: «Ein Jahr ist viel Zeit. Nicht nur bei Deutschland gibt es einen Generationswechsel», sagte Lewandowski. «Mit den Spielern, die Deutschland hat, kann man auch positiv nach vorn schauen.»

Schweinsteiger fordert mehr Mentalität

Im Stadion verfolgten nur wenige Hundert deutsche Fans, wo die DFB-Auswahl ein Jahr vor der EM steht. Am Bildschirm schauten in der ARD im Schnitt 5,92 Millionen Interessierte zu. Lust auf mehr Flick-Fußball werden die wenigsten davon verspürt haben.

«Ab September muss Tacheles gesprochen werden, müssen Automatismen rein und die Mentalität da sein», mahnte Ex-Weltmeister Bastian Schweinsteiger in seiner Funktion als ARD-Experte. In knapp drei Monaten spielt die Nationalmannschaft gegen WM-Schreck Japan und Vize-Weltmeister Frankreich. «Wir wollen Gegner haben, die uns einfach fordern», äußert Flick. Dann sei es «auch wichtig, dass man eine hundertprozentige Einstellung und Mentalität auf den Platz bringt», sagte der Bundestrainer. «Das sind die Dinge, die wir von der Mannschaft erwarten. Das sind Spiele auf einem sehr hohen Niveau, das kann uns nur nach vorn bringen.»

@ dpa.de

Weitere Meldungen

DFB-Elf startet in Houston in WM 2026. Für die nächsten Spiele in Toronto und East Rutherford müssen Fans bis kurz vor Mitternacht wach bleiben. Deutschland startet gegen Curaçao im klimatisierten Stadion von Houston in die WM. (Sport, 06.12.2025 - 18:42) weiterlesen...

Amerikanischer Crashkurs: Nagelsmann plant seine WM. Jetzt zählt für ihn vor allem eines. Die Mannschaft auf Kurs bringen. Die Gruppen-Spielorte passen ins Konzept. Von Trump bis Totti: Nagelsmann bekommt in den USA einen Vorgeschmack auf die WM-Show. (Sport, 06.12.2025 - 11:34) weiterlesen...

Friedenspreis für Trump spaltet: «Seine Weltmeisterschaft». FIFA-Präsident Infantino zieht dafür Kritik auf sich. Viele tippten schon vor der Bekanntgabe auf diesen Preisträger: Der US-Präsident bekommt in Washington einen Friedenspreis der FIFA überreicht. (Politik, 06.12.2025 - 05:57) weiterlesen...

Deutschland trifft auf Curaçao - Große WM-Show mit Trump. Und zeigt Perspektiven für den nächsten Sommer auf. FIFA-Friedenspreis für Donald Trump, leichtes Los für Julian Nagelsmann: Die WM-Auslosung in Washington gerät zu einer skurrilen Zeremonie. (Politik, 05.12.2025 - 21:36) weiterlesen...

Deutschland erwischt WM-Glücksgruppe mit Debütant Curaçao. Deutschland erwischt eine leichte Gruppe. Gleich zum Auftakt geht es gegen einen krassen Außenseiter. Die zwölf Vorrundengruppen der Fußball-WM 2026 stehen. (Politik, 05.12.2025 - 20:35) weiterlesen...

DFB-Team bei WM gegen Ecuador, Elfenbeinküste und Curaçao. Deutschland erwischt ein machbares Los. Zwei Partien des DFB-Teams steigen sicher in den USA, ein drittes könnte in Kanada stattfinden. Die zwölf Vorrundengruppen der Fußball-WM 2026 stehen. (Politik, 05.12.2025 - 20:04) weiterlesen...