ROUNDUP, Gamer

Raus aus der Deckung und ran an die jungen Leute: Deutsche Sicherheitsbehörden suchen händeringend nach Nachwuchskräften und setzen dabei auf die Gaming-Welt.

21.08.2025 - 09:08:15

Gamer für Deutschland? Sicherheitsbehörden suchen Personal

Bei der Gamescom in Köln zeigen sich die Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst (BND) mit Messeständen, wo sie Werbegespräche mit Messebesuchern führen.

Der BND geht dabei neue Wege: Bei ihm kann man ein Computerspiel spielen, in dem man als Spionin auf eine virtuelle Mission in einen Schurkenstaat geschickt wird. "BND-Legenden: Operation Blackbox" heißt das Spiel, in dem keine Enttarnung droht: Wer an einer Aufgabe scheitert, macht sie einfach noch einmal.

Der Titel des Spiels ist eine Anspielung auf die Arbeit "unter Legende", also mit falschem Namen und erfundenem Lebenslauf. Außerdem sei es ein Hinweis, dass der BND seine Arbeit nicht im Detail öffentlichkeitswirksam zeigen könne, sagt BND-Sprecherin Julia Linner. "Für viele war er bislang eine Blackbox, diese wollen wir ein bisschen mehr öffnen."

Aber warum überhaupt ein Messestand in aller Öffentlichkeit? Wie andere Arbeitgeber auch sei man auf der Suche nach Fachkräften, sagt Linner. Die Gamescom ist für die Personalsuche aus Sicht des BND ein guter Ort. "Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den Leuten, die wir gern in unseren Reihen hätten, und den Besucherinnen und Besuchern der Gamescom: Beide sind technikaffin, sie schlüpfen gern in verschiedene Rollen, nehmen andere Identitäten an, begeben sich auf Missionen und decken Zusammenhänge auf."

100 Quadratmeter groß ist der BND-Stand, 40 Mitarbeiter werden eingesetzt. Sie tragen blaue Poloshirts mit dem weißen BND-Schriftzug darauf. Einen mittleren sechsstelligen Euro-Betrag kostet der Messeauftritt, inklusive der Kosten für das Game, das man in etwa 20 Minuten durchspielen kann.

Bundeswehr lockt mit Hubschrauber-Simulation

Nur ein paar Schritte weiter befindet sich der Stand der Bundeswehr. Die deutsche Armee lädt an verschiedenen Stationen zum Mitmachen ein: Die Besucher können am Computer virtuell mit einem Panzer fahren und an einem Simulator einen Hubschrauber fliegen. In einer Ecke des Standes kann es schweißtreibend werden: Besucher ziehen sich Schutzwesten an und machen Liegestützen. "Bereit für das nächste Level?", steht auf einem Werbeplakat.

Messestand-Leiter Marco Mann sieht den Stand als einen wichtigen Baustein in der Personalgewinnung. "Wir sind da, wo sich die Zielgruppe befindet." Ein Stück weit ersetze man das Küchentisch-Gespräch in vergangenen Wehrpflicht-Zeiten - als also Wehrpflichtige ihren Freunden und ihrer Familie von ihren Erfahrungen bei der Bundeswehr berichteten und die Armee dadurch im Gespräch blieb in der Breite der Gesellschaft. Viele junge Menschen hätten heute keine Berührungspunkte mit der Bundeswehr und wüssten gar nicht, dass sie ein attraktiver Arbeitgeber sei.

Die Bundeswehr-Einheit der Elektronischen Kampfführung (Eloka) ist ebenfalls vor Ort, ein Soldat hat ein einfaches Spiel mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz weiterentwickelt. 150 Quadratmeter groß ist der Gamescom-Stand - 50 Quadratmeter größer als vergangenes Jahr. Seit 2009 ist die Armee auf der Gamescom. Eine Statistik, wie viele Neueinstellungen auf den Erstkontakt bei der Messe zurückzuführen sind, gibt es nicht.

Die Besucherinnen und Besucher am Stand wirken zumindest neugierig. Ein junges Pärchen sagt, sie wollten "nur mal gucken", ein junger Mann findet es hier "irgendwie cool" und ein Mann mittleren Alters erinnert sich etwas nostalgisch an seine Zeit als Wehrdienstleistender - als heutige Nachwuchskraft kommt er wohl nicht mehr infrage. Ein anderer Mann trägt einen Jutebeutel mit der Werbeaufschrift für das Egoshooter-Spiel "Call of Duty: Black Ops 7" über der Schulter. Er wirkt eher gelangweilt.

Egoshooter-Fans für die Bundeswehr?

Viele Spiele, die bei der Gamescom vorgestellt werden, sind brutal. Es spritzt Blut und ein Gegner nach dem nächsten muss erschlagen oder erschossen werden. Ein großer Teil der Besucher hat offenbar Gefallen an solchen Games. Dass die Armee ausgerechnet bei der Computerspiele-Messe die Werbetrommel rührt, stößt auf Kritik. "Die Bundeswehr hat auf der Gamescom nichts zu suchen", sagt Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

"Gamer simulieren bei Killerspielen das Töten in wechselnden Rollen, beim Spielen werden sie für das Töten des Feindes mit Bonuspunkten belohnt", sagt der Pazifist. "Im Falle einer Verpflichtung für die Bundeswehr könnte es passieren, dass aus dem virtuellen Spiel mit der Waffe brutale Realität auf dem Schlachtfeld wird." Er halte diesen Weg der Personalgewinnung für falsch. Auch die Anwesenheit des BND findet Grässlin bedenklich.

Gamer sind hartnäckig und lernfähig

Wie groß ist denn das Fachkräfte-Potenzial von Gamern? Groß, heißt es vom Branchenverband Game. "Die Gamerinnen und Gamer bringen ganz viele Kompetenzen mit, die man heute in der Berufswelt braucht: Sie sind digital, gut in der Kommunikation, können gut im Team arbeiten und sind stressresistent", sagt Verbandsgeschäftsführer Felix Falk. "Selbst wenn sie 30 Mal in einem Level scheitern, bleiben sie dran und schaffen es beim 31. Mal."

Der Digitalverband Bitkom misst dem Gaming seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine "eine ganz neue Bedeutung" bei und weist darauf hin, dass talentierte Gamer für das ukrainische Militär rekrutiert werden, um Drohnen zu steuern. Auch bei der Bundeswehr seien Fähigkeiten von Gamern gefragt, etwa der Umgang mit Joystick und Controller, Reaktionsschnelligkeit und Multitasking. Diese Fähigkeiten könnten durch Videospiele geschult werden, heißt es vom Verband.

@ dpa.de