Wirtschaftskammer, Revolution

Wirtschaftskammer Österreich: Revolution oder Reform nach Mahrers Rücktritt?

17.11.2025 - 21:49:12

Nach dem Rücktritt von Harald Mahrer steht die österreichische Wirtschaftskammer am Scheideweg. Was als Gehaltsskandal begann, entwickelt sich zur Grundsatzdebatte über die Zukunft der Pflichtmitgliedschaft. Opposition und Wirtschaftsverbände fordern jetzt eine komplette Neuausrichtung – doch wie radikal wird der Umbau wirklich?

Martha Schultz muss als interimistische Vizepräsidentin eine Organisation stabilisieren, deren Vertrauensbasis massiv beschädigt ist. Einige Landesorganisationen nahmen die umstrittenen Gehaltserhöhungen bereits zurück. Doch Kritiker betonen: Das reicht nicht. Die zentrale Frage lautet: Braucht Österreich im Jahr 2025 noch ein verpflichtendes Kammersystem?

Die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft spaltet die Wirtschaft. Befürworter argumentieren, dass nur dieses Modell eine starke Interessenvertretung für alle Unternehmen garantiert – unabhängig von Größe und Finanzkraft. Die Kammer finanziert damit Serviceleistungen von der Lehrlingsausbildung bis zur Exportberatung und bildet das Fundament der österreichischen Sozialpartnerschaft.

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NEOS und FPÖ fordern dagegen die Abschaffung der “Zwangsmitgliedschaft”. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz verweist auf die Schweiz: Ein freiwilliges System würde die Kammer zwingen, ihre Mitglieder durch echte Leistung zu überzeugen. Die NEOS zielen kurzfristig auf die Kammerumlage 2 ab – sie bezeichnen diese als reine “Belastungssteuer” zur Vergrößerung der Rücklagen.

Kann eine freiwillige Mitgliedschaft die gleiche Schlagkraft entwickeln? Oder würde das Ende der Pflicht die Interessenvertretung schwächen?

Strukturreform: Selbst die ÖVP fordert Veränderung

Unabhängig von der Mitgliedschaftsdebatte herrscht Einigkeit: Die Strukturen müssen sich ändern. Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, fordert Reformen beim Wahlrecht und den föderalen Strukturen. Sein Fazit: “Weiter wie bisher” ist keine Option.

Die konkreten Forderungen:

  • Verschlankung der neun Länderkammern und Abbau von Parallelstrukturen
  • Demokratisierung des Wahlrechts, das viele als unzeitgemäß empfinden
  • Transparente Fraktionsfinanzierung zur Stärkung des Vertrauens
  • Reduktion der Kammerbeiträge zur Entlastung der Unternehmen

Die Grüne Wirtschaft und UNOS legten bereits Reformkonzepte vor. Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) verlangt sogar “die größte WKO-Reform aller Zeiten”.

Vertrauenskrise trifft besonders die Basis

Die Krise offenbart einen fundamentalen Vertrauensverlust. Über 60 % der Mitglieder sind Ein-Personen-Unternehmen (EPU) – sie fühlen sich von der Kammerspitze zunehmend entfremdet. Die ÖVP-Dominanz in der Führung verstärkt den Eindruck mangelnder parteipolitischer Unabhängigkeit.

International ist Pflichtmitgliedschaft kein Unikum – Deutschland, Frankreich und Italien kennen ähnliche Modelle. Doch die tiefe Verankerung der WKÖ im österreichischen Politiksystem macht sie zu einem Sonderfall. Die Debatte kratzt am Kern des Nachkriegsmodells: Ist die Sozialpartnerschaft noch zeitgemäß in einer digitalisierten, globalisierten Wirtschaft?

Die nächsten Wochen entscheiden

Ende November fallen die Entscheidungen. Der Wirtschaftsbund und die Wirtschaftskammer wählen Mahrers Nachfolge – unter enormem Druck. Die FPÖ startete eine Online-Petition für Kammer-Reformen und will das Thema im Nationalrat behandeln.

Bundeskanzler und ÖVP müssen nun liefern. Kommt die Revolution mit Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft? Oder setzt sich eine Evolution durch, die auf Transparenz, Effizienz und niedrigere Beiträge zielt?

Die kommenden Monate entscheiden über das wirtschaftspolitische Gefüge Österreichs – und darüber, ob die Wirtschaftskammer als Stabilitätsanker oder als Relikt vergangener Zeiten in die Geschichte eingeht.

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