WhatsApp: EU-Beta bringt neue Freiheit – und Sicherheitsrisiken
07.11.2025 - 11:35:12WhatsApp testet plattformübergreifende Nachrichten in der EU, doch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird zum Sicherheitsrisiko durch unterschiedliche Standards der Drittanbieter.
WhatsApp öffnet seine Mauern. Was nach mehr Freiheit klingt, könnte die Sicherheit von Milliarden Nutzern gefährden.
Die Meta-Tochter hat in der Europäischen Union begonnen, eine revolutionäre Funktion zu testen: Nutzer können künftig Nachrichten mit Kontakten auf anderen Plattformen wie Signal oder Telegram austauschen – direkt aus WhatsApp heraus. Doch die ersten Beta-Tests offenbaren ein grundlegendes Dilemma: Die legendäre Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, auf der WhatsApps Ruf basiert, könnte zur Sollbruchstelle werden. Denn die Sicherheit dieser neuen Chats hängt vollständig vom schwächsten Glied in der Kette ab – dem jeweiligen Drittanbieter.
Der Grund für diesen Paradigmenwechsel? Die EU zwingt Technologieriesen durch den Digital Markets Act (DMA) zur Öffnung. Was als Sieg für den Wettbewerb gefeiert wird, entpuppt sich als hochkomplexer Balanceakt zwischen Benutzerfreiheit und Datenschutz.
Getrennte Postfächer für externe Chats
In den aktuellen Beta-Versionen der App müssen EU-Nutzer die Funktion zunächst manuell aktivieren. Im Einstellungsmenü findet sich dazu ein neuer Bereich namens “Drittanbieter-Chats”. Wer ihn einschaltet, erhält einen separaten Posteingang für Nachrichten von anderen Plattformen – strikt getrennt von den normalen WhatsApp-Konversationen.
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Die Grundfunktionen funktionieren laut ersten Testern reibungslos: Textnachrichten, Fotos, Sprachnachrichten, Videos und Dokumente lassen sich problemlos mit Kontakten auf unterstützten Apps austauschen. Doch hier endet die Gleichberechtigung bereits. Status-Updates, sich selbst löschende Nachrichten und Sticker bleiben WhatsApp-exklusiv. Es entsteht ein Zwei-Klassen-System: Volle Funktionalität für interne Chats, Basisausstattung für plattformübergreifende Gespräche.
Das Verschlüsselungs-Paradoxon
Die weitaus größere Herausforderung liegt in der Sicherheitsarchitektur. WhatsApp nutzt seit Jahren das Signal-Protokoll für Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – ein Goldstandard, der garantiert, dass nur Sender und Empfänger Nachrichten lesen können. Selbst Meta hat keinen Zugriff.
Doch bei der neuen Cross-Platform-Funktion gibt WhatsApp eine bemerkenswerte Warnung aus: Die Sicherheit dieser Chats liegt vollständig in der Verantwortung des Drittanbieters. Die Nachricht mag auf dem Weg verschlüsselt sein, doch sobald sie eine andere Plattform erreicht, gelten deren Regeln. Und die können deutlich schwächer sein.
Sicherheitsexperten warnen bereits seit Längerem vor genau diesem Szenario. Interoperabilität zwischen verschlüsselten Apps könnte die Integrität der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben. Jede Plattform hat eigene Datenschutzrichtlinien und Implementierungen – ein Flickenteppich, der Angreifern neue Einfallstore bieten könnte.
Besonders brisant: Nutzer, die auf WhatsApp blockiert wurden, könnten den Kontakt über Drittanbieter-Apps wieder aufnehmen. Diese Sicherheitslücke hebelt eine grundlegende Schutzfunktion aus. Zwar können Nutzer Kontaktanfragen von externen Apps prüfen, bevor sie sie akzeptieren – doch das erfordert eine neue Wachsamkeit, die bisher nicht nötig war.
Meta kämpft an mehreren Fronten
Die Einführung der Cross-Platform-Funktion fällt in eine turbulente Phase für WhatsApps Sicherheitsarchitektur. Erst am 3. November 2025 kündigte Meta an, verschlüsselte Chat-Backups künftig per Passkey zu schützen. Nutzer können ihre gesicherten Konversationen nun mit Face ID, Fingerabdruck oder anderen biometrischen Merkmalen absichern – eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen 64-stelligen Schlüsselsystem.
Zwei Tage zuvor hatte das Unternehmen eine Warnfunktion vorgestellt, die Nutzer alarmiert, wenn sie ihren Bildschirm mit unbekannten Kontakten teilen wollen. Die Maßnahme richtet sich gegen eine wachsende Betrugsmasche.
Gleichzeitig türmen sich die Bedrohungen: Im September 2025 nahm die US-Cybersicherheitsbehörde CISA eine WhatsApp-Schwachstelle (CVE-2025-55177) in ihren Katalog bekannter Sicherheitslücken auf. Das Problem betrifft die Geräte-Verknüpfungsfunktion und ermöglicht Angreifern unter Umständen, schädliche Inhalte auf dem Gerät des Nutzers zu verarbeiten. Die Schwachstelle wurde bereits für gezielte Angriffe ausgenutzt.
Der Digital Markets Act als zweischneidiges Schwert
Hinter der gewaltigen Veränderung steht der Digital Markets Act der Europäischen Union. Das Gesetz zielt darauf ab, die Marktmacht von “Gatekeeper”-Konzernen wie Meta zu beschränken. Plattformen, die mehr als 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU haben, müssen ihre Dienste für kleinere Wettbewerber öffnen. WhatsApp überschritt diese Schwelle deutlich.
Die Regulierung schafft eine paradoxe Situation: Sie bricht geschlossene Ökosysteme auf und gibt Nutzern beispiellose Wahlfreiheit. Gleichzeitig erzwingt sie eine technische und sicherheitstechnische Gratwanderung, die ausgerechnet jene Datenschutzgarantien schwächen könnte, auf die sich Nutzer verlassen haben.
Diese Entwicklung findet vor dem Hintergrund wachsenden Regierungsdrucks auf verschlüsselte Plattformen statt. Eine FBI-Warnung vom 3. November 2025 kritisierte “gerichtssichere Verschlüsselung”, die Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen behindere. Der Konflikt zwischen Privatsphäre, Unternehmensverantwortung und nationaler Sicherheit prägt zunehmend die digitale Landschaft.
2027 sollen Anrufe folgen
Der EU-Beta-Test ist erst der Anfang. WhatsApp plant, die Unterstützung für Drittanbieter-Textnachrichten offiziell im kommenden Jahr zu starten. Sprach- und Videoanrufe sollen bis 2027 folgen. Ein Zeitplan für einen weltweiten Rollout außerhalb der EU wurde noch nicht bekannt gegeben.
Mit der Einführung interoperabler Nachrichten verschiebt sich die Verantwortung zunehmend auf die Nutzer selbst. Sie müssen künftig wissen, mit wem sie kommunizieren – und welche Sicherheitsbeschränkungen diese Konversation hat. WhatsApps interne Ende-zu-Ende-verschlüsselte Chats bleiben sicher. Doch die Zukunft der digitalen Kommunikation wird offener und vernetzter sein – und sie wird ein deutlich höheres Sicherheitsbewusstsein von allen Beteiligten verlangen.
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