Schweiz definiert digitale Souveränität - Österreich erhält 515 Millionen Euro
27.11.2025 - 19:12:12Während Bern strategische Weichen stellt und Wien frisches EU-Geld kassiert, warnen deutsche Branchenführer vor Infrastruktur-Risiken. Eine entscheidende Woche für die digitale Souveränität im deutschsprachigen Raum.
Die Zeiten, in denen E-Government bloß bedeutete, Formulare online auszufüllen, sind offenbar vorbei. Binnen 48 Stunden haben die Schweiz und Österreich klar gemacht: Es geht um weit mehr – um die Frage, wer im digitalen Zeitalter das Sagen behält und wie unabhängig Staaten von externen Tech-Konzernen agieren können.
Am Mittwoch verabschiedete der Schweizer Bundesrat einen wegweisenden Bericht zur digitalen Souveränität. Das Dokument, entstanden als Antwort auf ein parlamentarisches Postulat, definiert erstmals offiziell, was “digitale Souveränität” für die Eidgenossenschaft bedeutet: die Fähigkeit des Staates, im digitalen Raum eigenständig zu handeln – ohne Abhängigkeit von einzelnen Anbietern.
Die Strategie ruht auf drei Säulen:
– Eine Hybrid-Multi-Cloud-Strategie, die Vendor-Lock-ins verhindert
– Priorisierung von Open Source für Transparenz und Sicherheit in der Verwaltung
– Vertrauenswürdige Infrastruktur mit beschleunigtem Rollout der staatlichen E-ID und sicherer Datenräume
“Der Staat muss die Fähigkeit besitzen, im digitalen Raum zu handeln und diesen zu überwachen”, stellte der Bundesrat klar. Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe soll künftig Sicherheits- und außenpolitische Risiken für digitale Ressourcen antizipieren. Die Maßnahmen bereiten den Boden für das neue E-ID-System, das die Bürger kürzlich per Referendum befürwortet hatten – nachdem sie 2021 noch ein privatwirtschaftliches Modell ablehnten.
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Wien kassiert halbe Milliarde aus Brüssel
Während die Schweiz Governance-Rahmen definiert, sichert sich Österreich konkrete Finanzmittel. Die EU-Kommission gab heute die Auszahlung von 515,5 Millionen Euro an Wien bekannt – Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF).
Die Zahlung honoriert das Erreichen von 20 vereinbarten Meilensteinen. Die Mittel fließen in Reformen, die digitale und ökologische Transformation verbinden:
- Reparaturbonus-Programm: Finanzielle Anreize für die Reparatur von Elektrogeräten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft
- Gesundheitswesen: Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege durch digitale Verwaltungstools
- Energieinfrastruktur: Investitionen in 17.500 Photovoltaik-Anlagen für Privathaushalte mit digitalisierten Genehmigungs-Prozessen
Mit einer Abrufquote von 84 Prozent der Gesamtmittel positioniert sich Österreich als Musterschüler bei der Umsetzung EU-finanzierter Modernisierungspläne. Kein Wunder also, dass die Kommission Wien als Vorbild hervorhebt.
Deutschland: Zwischen Energiekosten und Bürokratieabbau
In Deutschland dominierte diese Woche die Debatte um die physische und administrative Infrastruktur für digitale Behördendienste.
Bitkom, der Digitalverband der Wirtschaft, übte am Mittwoch scharfe Kritik an den Haushaltsplänen der Bundesregierung. Verbandspräsident Dr. Ralf Wintergerst warnte: Das Ausschließen von Rechenzentren und Telekommunikationsnetzen von geplanten Strompreis-Entlastungen gefährde die digitale Souveränität Deutschlands.
“Rechenzentren verbrauchen heute rund 21 Milliarden Kilowattstunden Strom – etwa 50 Prozent ihrer Betriebskosten”, so Wintergerst. Ohne Unterstützung für diesen Sektor stehe die Koalition im Widerspruch zu ihren eigenen Unabhängigkeitszielen. Schließlich bildeten sichere inländische Rechenzentren das Rückgrat jeder souveränen digitalen Verwaltung.
Lichtblick beim Bürokratieabbau: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche kündigte heute eine Überarbeitung des Netzanschlussverfahrens für große Batteriespeicher an. Die Digitalisierung und Vereinfachung des Antragsprozesses soll Genehmigungszeiten deutlich verkürzen – ein kritischer Punkt, an dem Energiepolitik und Verwaltungseffizienz zusammenlaufen.
Drei Länder, drei Ansätze
Die Entwicklungen der vergangenen drei Tage offenbaren unterschiedliche Strategien:
Die Schweiz wählt den doktrinären Weg. Mit der formalen Definition digitaler Souveränität und ressortübergreifenden Gremien bereitet sich Bern auf eine Zukunft vor, in der die Kontrolle über digitale Assets ebenso wichtig ist wie territoriale Integrität. Die “Swiss Cloud”-Initiative und das staatszentrierte E-ID-Modell passen ins Bild.
Österreich befindet sich in der Umsetzungsphase. Wien nutzt EU-Mechanismen geschickt zur Finanzierung konkreter Bürgerprogramme wie des Reparaturbonus. Die hohe Abrufquote der RRF-Gelder zeigt: Hier funktioniert die Maschinerie von der Politik bis zur Praxis.
Deutschland steckt weiter in Grundsatzdebatten. Die von Bitkom aufgezeigte Spannung zwischen digitalen Ambitionen und der wirtschaftlichen Realität hoher Energiekosten für Infrastruktur verdeutlicht die Herausforderungen der Bundesregierung. Positiv: Die Vereinfachung von Netzanschlüssen belegt ein anhaltendes Bekenntnis zum “Bürokratieabbau” – einem Kernversprechen der laufenden Legislaturperiode.
Was kommt als Nächstes?
Die Auswirkungen dieser Woche werden Anfang 2026 greifbar. Die Schweizer Arbeitsgruppe soll im ersten Quartal erste verbindliche Empfehlungen für die IT-Beschaffung des Bundes vorlegen. Österreich wird das frische Kapital voraussichtlich nutzen, um den digitalen Reparaturbonus auszuweiten – möglicherweise als Modell für andere EU-Staaten.
Für Deutschland steigt der Druck, die Energiekostenfrage für digitale Infrastrukturbetreiber vor der nächsten Bundestagswahl zu lösen. Ohne wettbewerbsfähige Betriebsbedingungen für heimische Rechenzentren könnten die “Sovereign Cloud”-Ambitionen des öffentlichen Sektors ins Stocken geraten. Bleibt die Frage: Kann die Politik schnell genug handeln, bevor die digitale Infrastruktur zum Standortnachteil wird?
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