Qwant, Kartellbeschwerde

Qwant scheitert mit Kartellbeschwerde gegen Microsoft

28.11.2025 - 02:02:12

Die französische Wettbewerbsbehörde wies Qwants Vorwürfe gegen Microsoft zurück, da keine marktbeherrschende Stellung nachgewiesen werden konnte. Microsoft darf seine Such-Syndizierungsverträge fortsetzen.

Rückschlag für die französische Suchmaschine: Die Autorité de la concurrence weist die Klage gegen den US-Konzern ab. Grund: Die vorgelegten Beweise reichen nicht aus, um eine missbräuchliche Marktmacht nachzuweisen. Für Microsoft ein wichtiger Erfolg in Europa – für Qwant das vorläufige Ende eines ambitionierten Vorstoßes.

Die französische Wettbewerbsbehörde hat am Donnerstag entschieden: Qwants Vorwürfe gegen Microsoft sind nicht stichhaltig genug. Die Pariser Regulierer sahen keine ausreichenden Belege dafür, dass der Tech-Riese aus Redmond seine Marktposition missbraucht hätte. Auch der Antrag auf einstweilige Verfügungen, die Microsoft zu sofortigen Änderungen gezwungen hätten, wurde abgelehnt.

Was bedeutet das konkret? Qwant hatte gehofft, Microsoft durch regulatorischen Druck zu Zugeständnissen zu bewegen. Stattdessen steht die europäische Suchmaschine nun ohne rechtlichen Hebel da – zumindest auf französischer Ebene. Die Entscheidung könnte Signalwirkung für ähnliche Konflikte zwischen kleineren Anbietern und den großen Plattformen haben.

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Keine dominante Marktstellung nachgewiesen

Das Kernproblem aus Sicht der Wettbewerbshüter: Qwant konnte nicht überzeugend darlegen, dass Microsoft im Markt für Suchmaschinen-Syndizierung eine beherrschende Stellung innehat. Ohne diesen Nachweis greifen die strengen Kartellregeln gegen Marktmissbrauch nicht.

Die Autorité stellte klar: „Die Vorwürfe einer dominanten Position und wirtschaftlichen Abhängigkeit sind nicht belegt.” Auch die angeblichen technischen und kommerziellen Beschränkungen hätten sich nicht als wettbewerbswidrig erwiesen. Im Gegenteil – die bestehenden Verträge würden Qwant nicht daran hindern, eigene Such-Technologie oder KI-Funktionen zu entwickeln.

Für Microsoft ein wichtiges Signal: Die bestehenden Geschäftsmodelle im Bereich der Such-Syndizierung gelten weiterhin als rechtlich zulässig. Zumindest in Frankreich dürfte der Konzern vorerst aufatmen.

Vorwürfe: Exklusivität, KI-Blockade, Werbe-Bevorzugung

Aber was hatte Qwant eigentlich konkret beanstandet? Die französische Suchmaschine ist auf Bings Index angewiesen – wie viele andere alternative Anbieter auch. Diese Abhängigkeit sei das Problem, argumentierte Qwant.

Die zentralen Vorwürfe lauteten:

  • Exklusivklauseln: Microsoft habe vertraglich verboten, Bing-Ergebnisse mit anderen Datenquellen oder einem eigenen Index zu kombinieren.
  • Innovationshemmnisse: Die Vertragsgestaltung verhindere gezielt die Entwicklung eigener Algorithmen und KI-Modelle.
  • Selbstbevorzugung bei Werbung: Microsoft favorisiere systematisch eigene Dienste bei der Verteilung von Such-Werbeanzeigen – Partner wie Qwant würden benachteiligt.

Das Narrativ: Microsoft nutze seine Rolle als Infrastruktur-Anbieter, um kleinere Wettbewerber klein zu halten und gleichzeitig von ihrer Abhängigkeit zu profitieren. Eine „wirtschaftliche Abhängigkeit”, die fairen Wettbewerb unmöglich mache.

Die Wettbewerbsbehörde sah das anders: Die Vertragsklauseln seien einvernehmlich vereinbart worden. Eine missbräuchliche oder wettbewerbswidrige Ausnutzung ließe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ableiten.

Microsoft zufrieden – Qwant prüft Rechtsmittel

Aus Redmond kam umgehend Lob für die Entscheidung. „Wir stimmen mit der Entscheidung überein und bleiben unserem Engagement verpflichtet, qualitativ hochwertige Suchdienste anzubieten und Innovation für Verbraucher und Partner in Frankreich und ganz Europa zu fördern”, erklärte ein Sprecher am Donnerstag.

Die Botschaft ist klar: Microsoft sieht sein Syndizierungs-Geschäft als wettbewerbsfördernd an. Schließlich ermögliche es erst kleineren Anbietern wie Ecosia, DuckDuckGo oder Lilo, ohne astronomische Investitionen in einen eigenen Web-Index zu existieren.

Qwant hingegen gibt sich kämpferisch. Bereits vor der offiziellen Verkündung hatte das Unternehmen durchblicken lassen, notfalls weitere rechtliche Schritte zu prüfen. Nach dem Urteil bestätigte Qwant: Alle Optionen liegen auf dem Tisch – einschließlich einer Berufung vor dem Pariser Berufungsgericht oder einer Beschwerde auf EU-Ebene.

„Wir sind weiterhin überzeugt, dass die von Microsoft auferlegten Bedingungen unsere Innovationsfähigkeit und technologische Souveränität einschränken”, hieß es aus Unternehmenskreisen. Die Ablehnung basiere auf formalen Beweisanforderungen, nicht auf einer inhaltlichen Würdigung der Marktdynamik.

Das komplizierte Geflecht der Such-Syndizierung

Der Fall wirft Licht auf ein paradoxes Verhältnis: Google beherrscht mit über 90 Prozent den europäischen Suchmaschinenmarkt. Doch im Hintergrund agiert Microsoft Bing als unverzichtbare Infrastruktur für viele alternative Anbieter.

Diese „Syndizierungs-Partner” nutzen Bings API, um Suchergebnisse auszuliefern – ergänzt um eigene Features wie Datenschutz-Layer oder Nachhaltigkeits-Funktionen. Ein Geschäftsmodell, das Chancen und Risiken birgt: Einerseits ermöglicht es den Markteintritt ohne eigene Milliarden-Investitionen. Andererseits entstehen strukturelle Abhängigkeiten von einem Anbieter, der selbst im Wettbewerb steht.

Qwant versuchte, genau diese Konstellation als Machtmissbrauch zu deuten. Die französische Wettbewerbsbehörde folgte dieser Argumentation nicht. Aus ihrer Sicht handelt es sich um kommerzielle Verträge, nicht um kartellrechtlich relevante Dominanzausübung.

Die hohe Beweislast für Kläger wird damit einmal mehr deutlich: Wer einen Missbrauch marktbeherrschender Stellung geltend macht, muss diese Position zunächst zweifelsfrei nachweisen. Bei Microsoft – das im Suchmarkt selbst weit hinter Google rangiert – gelang das nicht.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Kurzfristig verschafft das Urteil Microsoft Luft. Die bestehenden Vertragsmodelle können fortgesetzt werden, ohne dass Gerichte Änderungen erzwingen. Langfristig bleibt die Lage unübersichtlich.

Denn die europäische Tech-Regulierung macht weiter Tempo. Der Digital Markets Act (DMA) verpflichtet große Plattformen zu fairem Zugang und Interoperabilität. Die Fragen, die Qwant aufgeworfen hat – Datenzugang, Selbstbevorzugung, Innovationsspielräume für abhängige Plattformen – stehen weiter im Fokus der EU-Kommission.

Für kleinere Suchmaschinen wie Qwant könnte die Entscheidung ein Weckruf sein: Kartellrecht allein wird ihre strategische Abhängigkeit nicht lösen. Entweder müssen neue Verträge ausgehandelt oder technologische Alternativen entwickelt werden. Die Diversifizierung weg von Bing dürfte an Dringlichkeit gewinnen.

Besonders brisant wird es beim Thema generative KI-Suche. Wer die zugrundeliegenden Indizes und KI-Modelle kontrolliert, sitzt am längeren Hebel. Ob nationale oder europäische Regulierer hier künftig schärfer hinschauen, bleibt abzuwarten. Vorerst jedenfalls gilt: Der Status quo im französischen Suchmaschinenmarkt ist bestätigt.

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