Online-Krankschreibung, Arzt

Online-Krankschreibung ohne Arzt: Sofortkündigung rechtens

20.11.2025 - 23:29:12

Eine gefährliche Abkürzung für Beschäftigte: Wer sich per Online-Fragebogen krankschreiben lässt, ohne jemals mit einem Arzt zu sprechen, riskiert die fristlose Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat diese Woche ein Urteil bestätigt, das weitreichende Folgen für den gesamten deutschen Arbeitsmarkt haben dürfte.

Während digitale Gesundheitslösungen längst zum Alltag gehören, zieht diese Entscheidung eine scharfe Trennlinie: zwischen seriöser Telemedizin und dubiosen „Gefälligkeitsattesten auf Knopfdruck”. Die Konsequenzen sind drastisch – und sie treffen bereits jetzt Tausende Arbeitnehmer, die auf zweifelhafte Portale vertraut haben.

Das Urteil (Az. 14 SLa 145/25) vom 5. September 2025 sorgt gerade für Wirbel, nachdem diese Woche die vollständigen Urteilsgründe veröffentlicht wurden. Im Zentrum steht ein IT-Berater, der sich für fünf Tage krankmelden wollte.

Statt eine Praxis aufzusuchen oder einen Video-Arzt zu konsultieren, wählte er einen anderen Weg: Ein Online-Portal versprach ihm binnen Minuten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Alles, was er tun musste, war ein Fragebogen mit Multiple-Choice-Fragen zu seinen Symptomen. Kein Telefonat. Kein Videochat. Keine ärztliche Untersuchung.

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Das Attest, ausgestellt von einem angeblich „telemedizinisch” tätigen Arzt, reichte der Mitarbeiter bei seinem Arbeitgeber ein. Als dieser die Herkunft des Dokuments durchschaute, folgte die fristlose Kündigung.

Vertrauensbruch mit Folgen

Das LAG Hamm gab dem Arbeitgeber in vollem Umfang recht und kassierte damit ein anderslautendes Urteil der Vorinstanz. Die Begründung der Richter ist eindeutig: Wer solch ein Attest vorlegt, täuscht seinen Arbeitgeber und verletzt die arbeitsvertragliche Treuepflicht fundamental.

Die Kernpunkte des Urteils:

  • Täuschung: Der Arbeitnehmer erweckte den falschen Eindruck, ein Arzt habe seinen Gesundheitszustand geprüft. Da keine Untersuchung stattfand, handelt es sich um Betrug.
  • Kein Beweiswert: Bescheinigungen, die ausschließlich auf Selbstauskünften per Fragebogen basieren, besitzen rechtlich keinen Beweiswert. Sie dokumentieren lediglich die eigenen Angaben des Patienten, mehr nicht.
  • Sofortige Kündigung zulässig: Der Vertrauensbruch wiegt so schwer, dass keine vorherige Abmahnung nötig ist. Ob der Mitarbeiter tatsächlich krank war oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

Telemedizin ja – Fake-Attest nein

Das Urteil richtet sich nicht gegen Telemedizin als solche. Diese wichtige Unterscheidung betonen Arbeitsrechtler in ihren Analysen:

Legitime Telemedizin: Seit der dauerhaften Integration der Fernbehandlung Ende 2023 dürfen Ärzte Krankschreibungen per Videosprechstunde ausstellen. Bei bekannten Patienten mit leichten Erkrankungen geht dies auch telefonisch. Entscheidend: Ein Arzt bewertet aktiv den Gesundheitszustand. Solche Atteste sind vollkommen rechtssicher.

Ungültige Online-AU: Portale, die binnen Minuten ein Attest versprechen – basierend nur auf angekreuzten Symptomen – bewegen sich außerhalb des Rechtsrahmens. Das LAG-Urteil stellt klar: Diese Dienste zu nutzen kommt einer Urkundenfälschung gleich.

„Der Arzt-Patienten-Kontakt ist das entscheidende Kriterium”, so der Tenor der Rechtsexperten. „Ohne Stimme, ohne Video, ohne persönliches Gespräch – keine Untersuchung. Und ohne Untersuchung kein gültiges Attest.”

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

Die Warnung an Beschäftigte könnte kaum deutlicher sein. Während die Verlockung groß ist, sich den Gang zum Arzt oder die Wartezeit in der Praxis zu sparen, steht nun die berufliche Existenz auf dem Spiel.

Konkret heißt das:

  • Finger weg von Portalen, die Krankschreibungen ohne Arztgespräch anbieten
  • Bei Krankheit etablierte Telemedizin-Apps wie TeleClinic oder Kry nutzen – dort erfolgt eine echte ärztliche Konsultation
  • Im Zweifelsfall den klassischen Weg zur Hausarztpraxis wählen

Für Arbeitgeber stärkt das Urteil die Handhabe gegen verdächtige Atteste. Personalabteilungen können nun gezielt Zertifikate hinterfragen, die von bekannten „Fragebogen-Portalen” stammen.

Ein Signal mit Reichweite

Zwar handelt es sich um ein regionales Urteil, doch die klare Haltung des LAG Hamm dürfte bundesweit Wirkung entfalten. Das Urteil harmoniert mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der vorschreibt: Eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss auf einer ärztlichen Untersuchung basieren – auch wenn diese aus der Ferne erfolgt.

In Zeiten, in denen Arbeitgeber Fehlzeiten zunehmend kritisch prüfen, setzt diese Entscheidung neue Maßstäbe. Die Grauzone, in der manche Online-Portale operierten, existiert nicht mehr. Wer auf Abkürzungen setzt, zahlt möglicherweise den höchsten Preis: den Verlust des Arbeitsplatzes.

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