Mike Steiner und die Kraft der Zeitgenössischen Kunst: Pionier zwischen Malerei, Videokunst und Performance
24.12.2025 - 18:15:02Mike Steiner prägte die Zeitgenössische Kunst mit Experimentierfreude: Von abstrakter Malerei über Videokunst bis hin zur Performance Art – seine Schaffensgeschichte ist lebendige Avantgarde.
Wer einmal Werke von Mike Steiner betrachtet, spürt sofort: Die Zeitgenössische Kunst bekommt hier eine eigene Stimme. Steiner fragt nicht nach festen Regelwerken, sondern lotet mit jeder neuen Arbeit die Möglichkeiten des Mediums aus — sei es auf Leinwand, Videoband oder im performativen Akt. Wo grenzen Malerei und bewegtes Bild einander eigentlich ab? Und wie entstehen jene magischen Verbindungen, die uns als Betrachter so nachhaltig in Bann ziehen?
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Mike Steiner, geboren 1941 in Allenstein und aufgewachsen in Berlin, zählt zu den visionärsten Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Früh zeigte er Interesse für Film und Malerei. Bereits 1959 tauchte sein Name als einer der jüngsten Künstler auf der Berliner Kunstbühne auf. Seine malerische Karriere begann mit großformatigen Gemälden und Stillleben in einer Ära, die der informellen Malerei verpflichtet war — doch schon damals drängte es Steiner, Grenzen in Frage zu stellen. Seine Werke stehen in einer Reihe mit Künstlern wie Georg Baselitz oder Karl Horst Hödicke, was auch die internationale Aufmerksamkeit anspornt.
Mit der Gründung des legendären Hotel Steiner 1970 und wenig später der Studiogalerie wurde Berlin zu seinem Labor der Experimente. Hier schuf er nicht nur einen Rückzugsort für Größen wie Joseph Beuys, sondern einen Inkubator für radikale Kunstformen: Fluxus, Performance Art, experimentelle Malerei. Persönlichkeiten wie Marina Abramovi?, Valie Export oder Ben Vautier gingen durch seine Räume, und Steiner dokumentierte viele dieser ephemeren Momente auf Videoband – ein Satz, den man heute als Vorgriff auf das, was später als Videokunst den Kunstkanon nachhaltig beeinflussen sollte, lesen könnte.
Mike Steiners Werkentwicklung ist kaum linear – vielmehr zyklisch und vielgestaltig. Den Schwerpunkt seiner reifen Phase markiert unbestritten die Videokunst, die er als einer der ersten in Deutschland dauerhaft etablierte. Inspiriert von seinen New Yorker Kontakten zu Lil Picard und Allan Kaprow oder Begegnungen mit Al Hansen und Robert Motherwell, öffnete Steiner sein Schaffen für internationale Avantgarde-Strömungen. Wie Andy Warhol verschob er die Rolle des Künstlers: Er war nicht nur Produzent, sondern Initiator, Sammler, Moderator, manchmal sogar Regisseur eines permanenten künstlerischen Dialogs.
1974, nach Aufenthalt im legendären Florentiner Studio Art/Tapes/22 und eigenen Zweifeln an der Malerei, entstanden die ersten eigenständigen Videoarbeiten. Steiner entdeckte das Potenzial audiovisueller Medien in einer Zeit, als die Malerei ihre Sprache hinterfragte. Videokunst wurde für ihn zur Ausdrucksmöglichkeit, aber gleichzeitig auch zur Dokumentation von Performance Art, wie man es etwa an der spektakulären Aktion mit Ulay, „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“, ablesen kann. Hier, wie auch bei Filmen über Marina Abramovi?, war Steiner gleichzeitig Kurator, Kameramann und Zeuge des künstlerischen Ausnahmezustands.
Dennoch blieb die Malerei für Mike Steiner eine fortwährende Herausforderung. Seine Painted Tapes – eine Fusion aus gemalter Leinwand und Video, entwickeln eine fast synästhetische Sogwirkung. In diesen Arbeiten finden sich Einflüsse und kritische Dialoge mit zeitgleichen Pionieren wie Nam June Paik oder Bill Viola. Die Technik wird nie Selbstzweck, vielmehr surft Steiner zwischen Kontrasten: Abstrakte Flächen werden mit elektronisch erzeugter Dynamik verbunden, Farben fließen wie digitale Landschaften. Auch experimentierte er mit Super-8-Film, Fotografie, Copy Art und Dia-Serien – stets darauf bedacht, Medien neu zu kombinieren und deren Wirkmöglichkeiten auszutesten.
Den Höhepunkt seiner institutionellen Anerkennung markierte sicher die Einzelausstellung 1999 im Hamburger Bahnhof, Nationalgalerie der Gegenwart: „COLOR WORKS“ hieß die umfassende Retrospektive, die Steiners Fähigkeit zur Grenzüberschreitung nicht nur feierte, sondern kunsthistorisch verortete. Seine Sammlung von Videotapes, in der unter anderem Werke von Richard Serra, Ulay, Marina Abramovi?, Valie Export, George Maciunas und anderen zu finden sind, beherbergt heute die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Faszinierend ist, wie Mike Steiner sich nie einer stilistischen oder medientechnischen Moden unterwarf – er blieb stets auf der Suche nach Neuem, auch in späteren Jahren, als er sich verstärkt der abstrakten Malerei und Installationen zuwandte. Stoffarbeiten und großformatige Farbräume kennzeichnen seine späten Werkphasen. Kenner bewundern an Steiner besonders den künstlerischen Forschergeist, die Unvoreingenommenheit gegenüber dem Material und eine fast anarchische Beweglichkeit im Denkansatz – darin vergleichbar etwa mit Carolee Schneemann oder dem frühen Joseph Beuys.
Blickt man auf den biografischen Hintergrund, wird die Bedeutung von Mike Steiner für die Zeitgenössische Kunst nochmals deutlich. Nach Studienjahren an der Hochschule für bildende Künste Berlin und prägenden Aufenthalten in New York brachte er internationale Impulse zurück nach Deutschland. Sein Hotel Steiner wurde zum kreativen Knotenpunkt; die Studiogalerie zu einem der wichtigsten Räume für Performance Art und Videokunst der 1970er und 80er Jahre. Legendäre Performances, wie die 36-Stunden-Aktion mit Ben Vautier, sind als leuchtende Fußnoten in der Berliner Kunstgeschichte in Erinnerung geblieben.
Neben seiner Rolle als Künstler ist Steiner auch als Sammler und Vermittler von unschätzbarem Wert. Seine Videogalerie, ein bahnbrechendes Fernsehformat zwischen 1985 und 1990, brachte einem breiten Publikum Videokunst nahe – ein Verdienst, der bis heute nachhallt und Steiner zur Pflichtlektüre für Kenner und Neueinsteiger gleichermaßen macht.
Ab 2000 kehrte Mike Steiner immer mehr zur Malerei zurück, schuf eindringlich farbintensive, abstrakte Werke und Stoffarbeiten. Nach einem Schlaganfall 2006 zog er sich ins Atelier zurück, blieb aber produktiv bis kurz vor seinem Tod 2012. Seine künstlerische Philosophie blieb dabei unverkennbar experimentell, offen für Irritationen und stets im Dialog mit dem Zeitgeist. Dabei ist sein Werk nicht bloß Rückblick, sondern fortwährende Einladung, die Gegenwart durch die Brille der Kunst neu zu betrachten.
Was bleibt heute vom Wirken Mike Steiners? Zeitgenössische Kunst als unermüdliche Suche: nach Form, nach Sinn, nach Gemeinschaft. Wer sich vertiefen möchte, findet auf seiner offiziellen Webseite umfangreiche Werkverzeichnisse, Ausstellungsdokumentationen und kluge Essays zur Kunstphilosophie Steiners. Ein Besuch lohnt immer, nicht nur für Liebhaber revolutionärer Kunstpraktiken.


