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Microsoft: Angriff auf Second-Hand-Software-Markt

13.09.2025 - 06:56:01

Microsoft argumentiert vor britischem Gericht, dass der Weiterverkauf von Windows- und Office-Lizenzen illegal sei. Ein Urteil könnte den gesamten europäischen Zweitmarkt für Software zerstören.

Microsoft greift den europäischen Gebrauchtmarkt für Software-Lizenzen frontal an. Der Konzern behauptet vor einem britischen Gericht, der Weiterverkauf von Windows und Office sei grundsätzlich illegal – und könnte damit einen Millionen-Euro-Markt zerstören.

Die Verhandlung am Competition Appeal Tribunal in London diese Woche markiert eine dramatische Wende in einem seit Jahren schwelenden Konflikt. Was als 270 Millionen Euro schwere Kartellklage begann, entwickelt sich zur Grundsatzentscheidung über digitales Eigentum in Europa.

Kartellklage wird zum Präzedenzfall

Der britische Reseller ValueLicensing verklagt Microsoft bereits seit 2021 wegen Missbrauchs der Marktmacht. Der Vorwurf: Microsoft habe Unternehmen Rabatte auf neue Cloud-Abos wie Microsoft 365 gewährt – unter der Bedingung, dass sie ihre bestehenden Software-Lizenzen abgeben. Dadurch sei der Zweitmarkt systematisch ausgehungert worden.

Bislang galt der Weiterverkauf gebrauchter Software-Lizenzen als legal. Ein richtungsweisender EU-Gerichtshofs-Beschluss von 2012 hatte das „Erschöpfungsprinzip“ bestätigt: Nach dem Ersterwerb darf der Käufer seine Lizenz als „gebraucht“ weiterverkaufen. Diese Rechtsprechung schuf einen florierenden Markt für kostengünstige Business-Software.

Microsofts radikale Copyright-Strategie

Jetzt ändert Microsoft die Taktik grundlegend. Das Unternehmen argumentiert, eine Software-Lizenz bestehe aus mehreren Komponenten. Während EU-Regeln den Weiterverkauf des „Computerprogramms“ erlauben mögen, gelte dies nicht für andere urheberrechtlich geschützte Elemente wie Benutzeroberfläche, Schriftarten oder Fehlermeldungen.

Die Konsequenz wäre fatal: Software ohne Interface ist unbrauchbar. Der Verkauf des reinen Programmcodes allein bringt niemandem etwas. „Wenn Microsofts Argument stimmt, dürfte der gesamte Resale-Markt in Europa nicht existieren“, warnt ValueLicensing.

Diese juristische Spitzfindigkeit umgeht clever das EU-Urteil von 2012, indem sie auf E-Book-Rechtsprechung verweist, die zwischen Software-Programmen und anderen digitalen Werken unterscheidet.

Milliarden-Markt vor dem Kollaps?

Ein Microsoft-Sieg würde den Handel mit gebrauchten Windows- und Office-Lizenzen beenden – erst in Großbritannien, womöglich später europaweit. Unternehmen und Privatnutzer müssten teurere Neulizenzen direkt von Microsoft kaufen oder auf Abo-Modelle umsteigen.
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Die Timing passt perfekt zu Microsofts Cloud-Strategie. Der Konzern setzt längst auf wiederkehrende Einnahmen durch Subscription-Dienste statt einmaliger Lizenzverkäufe. Kritiker sehen darin einen weiteren Versuch, Marktmacht zu missbrauchen und Verbrauchern Wahlfreiheit zu nehmen.

Erst diese Woche einigte sich Microsoft mit der EU darauf, Teams von Office zu entkoppeln – um Kartellstrafen in Milliardenhöhe zu vermeiden.

Digitales Eigentum neu definiert

Der Fall steht exemplarisch für eine globale Debatte: Was gehört Kunden wirklich, wenn sie Software „kaufen“? Microsofts Vorstoß würde den Trend beschleunigen, Software nur noch zu mieten statt zu besitzen.

Die Argumentation, Programmcode und Benutzeroberfläche seien getrennte Werke, gilt vielen Rechtsexperten als gewagt. Sie widerspricht dem Verständnis von Software als integriertem Ganzen.
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Urteil mit weitreichenden Folgen

Das Gericht wird zunächst über die Copyright-Fragen entscheiden, bevor 2026 der Hauptprozess beginnt. Schon diese Vorentscheidung könnte den Zweitmarkt über Nacht vernichten – oder Microsofts 270-Millionen-Euro-Problem verstärken.

Egal wie das Urteil ausfällt: Es wird Standards für Software-Eigentum und digitale Rechte für Jahre prägen. Die Entscheidung zeigt, wie fragil vermeintlich etablierte Verbraucherrechte im digitalen Zeitalter geworden sind.

@ boerse-global.de