Lohnuntergrenze und Equal-Pay-Urteil: Doppelte Herausforderung für Arbeitgeber
21.11.2025 - 05:49:12Deutschlands Unternehmen stehen vor einem turbulenten Jahreswechsel. Während ab Januar die Mindestlohnerhöhung auf 13,90 Euro die Personalkosten nach oben treibt, droht gleichzeitig eine Klagewelle wegen ungleicher Bezahlung. Ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts könnte die Spielregeln für Gehaltsfindung grundlegend verändern.
Die Kombination aus verschärfter Rechtsprechung und steigenden Lohnkosten markiert einen Wendepunkt – und zwingt HR-Abteilungen zum raschen Handeln.
Das Bundesarbeitsgericht hat Ende Oktober eine Entscheidung getroffen, die Juristen als “Game Changer” bezeichnen. Im Fall einer Abteilungsleiterin bei Daimler Truck (Az. 8 AZR 300/24) stellten die Richter klar: Eine Arbeitnehmerin kann Diskriminierung bereits nachweisen, wenn ein einziger männlicher Kollege in vergleichbarer Position mehr verdient.
Was bedeutet das konkret für die Praxis? Bisher konnten sich Arbeitgeber oft mit Durchschnittsgehältern oder Gehaltsbändern herausreden. Diese Strategie funktioniert nicht mehr. Verdient ein Mann auch nur einen Euro mehr als seine Kollegin bei gleicher Arbeit, muss das Unternehmen objektive, geschlechtsunabhängige Gründe dafür dokumentieren können.
“Die Beweislast hat sich fundamental verschoben”, analysieren Arbeitsrechtler von Anwalt.de. “Vage Verweise auf Leistungsunterschiede reichen vor Gericht nicht mehr aus. Jeder einzelne Gehaltsunterschied muss wasserdicht begründbar sein.”
13,90 Euro ab Januar – und weitere Erhöhung folgt
Parallel zur juristischen Zäsur steht die nächste Mindestlohnerhöhung fest. Das Bundeskabinett hat die entsprechende Verordnung Ende Oktober beschlossen. Ab 1. Januar 2026 gilt ein gesetzlicher Mindestlohn von 13,90 Euro pro Stunde. Nur ein Jahr später, am 1. Januar 2027, folgt der nächste Sprung auf 14,60 Euro.
Die wichtigsten Zahlen für 2026:
- Stundenlohn: 13,90 Euro
- Minijob-Grenze: steigt auf 603 Euro monatlich (bisher 556 Euro)
- Midi-Job-Bereich: passt sich dynamisch an, um sozialversicherungsrechtliche Schwellen zu wahren
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wertet die Erhöhung als notwendig, aber nicht ausreichend: “Die Inflation frisst weiterhin Kaufkraft”, so ein Sprecher. Arbeitgeberverbände warnen hingegen vor Belastungen besonders für kleinere Betriebe in Gastronomie und Dienstleistung. Eine Steigerung um 1,20 Euro binnen zwei Jahren sei für viele kaum zu stemmen.
Sofortiger Handlungsbedarf für HR-Abteilungen
Die Kombination beider Entwicklungen setzt Personalabteilungen unter Zeitdruck. Rechtsexperten empfehlen drei konkrete Schritte noch vor Jahresende:
Gehaltsstrukturen durchleuchten: Jede Vergütung muss auf den Prüfstand. Wo verdienen Männer mehr als Frauen in vergleichbaren Rollen? Gibt es dafür dokumentierte Gründe wie längere Betriebszugehörigkeit oder zusätzliche Qualifikationen? “Dokumentation ist Ihre einzige Verteidigung”, mahnen Anwälte der Kanzlei Noerr.
Arbeitsverträge anpassen: Bei der neuen Minijob-Grenze von 603 Euro müssen bestehende Verträge überprüft werden. Stimmen die vereinbarten Arbeitsstunden noch mit den gesetzlichen Vorgaben überein?
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EU-Richtlinie vorwegnehmen: Deutschland muss bis Juni 2026 die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in nationales Recht umsetzen. Das BAG-Urteil nimmt deren Anforderungen faktisch vorweg – wer jetzt nicht handelt, gerät doppelt unter Druck.
Klagewelle im ersten Quartal erwartet
Gewerkschaften dürften das BAG-Urteil als Hebel nutzen, um intransparente “Leistungszulagen” aus Tarifverträgen zu eliminieren. Branchenbeobachter rechnen bereits für das erste Quartal 2026 mit einem deutlichen Anstieg von Equal-Pay-Klagen, sobald Arbeitnehmer von der neuen Rechtslage erfahren.
Gleichzeitig werden die Mindestlohnerhöhungen ab Januar wahrscheinlich Preisanpassungen im Einzelhandel und bei Dienstleistern nach sich ziehen. Das Statistische Bundesamt meldet weiterhin anhaltenden Kostendruck – die Debatte über existenzsichernde Löhne dürfte neu entbrennen, wenn die Mindestlohnkommission ihren nächsten Prüfzyklus beginnt.
Die Botschaft von Karlsruhe und Berlin ist unmissverständlich: Die Ära undurchsichtiger Gehaltsstrukturen neigt sich dem Ende zu. Unternehmen, die ihre Vergütungsstrategien bis zum Jahreswechsel nicht anpassen, riskieren juristische Niederlagen und Reputationsschäden zugleich.
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