Kündigungsschutz: Neue Urteile erschüttern Homeoffice-Regelungen
05.12.2025 - 00:10:12Arbeiten aus dem Ausland kann teuer werden – zumindest für den Kündigungsschutz. Diese Woche erschütterte eine Serie wegweisender Arbeitsgerichtsurteile die rechtliche Landschaft für Remote-Arbeit in Deutschland grundlegend. Die Botschaft an Arbeitnehmer und Personalabteilungen: Die „Work from Anywhere”-Ära kollidiert mit deutschem Arbeitsrecht.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz schockte die New-Work-Community mit einem Urteil, das isolierte Homeoffice-Mitarbeiter praktisch schutzlos stellen kann. Parallel verschärfte das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an den Nachweis von Kündigungszustellungen. Für 2026 zeichnet sich ein komplexes rechtliches Minenfeld ab.
Das LAG Rheinland-Pfalz (Az. 4 SLa 200/24) hat am 2. September 2025 eine Entscheidung getroffen, die vielen Homeoffice-Enthusiasten die Augen öffnen dürfte. Ein Mitarbeiter, der ausschließlich von seinem deutschen Homeoffice aus für ein spanisches Unternehmen arbeitete, verlor seine Kündigungsschutzklage – und damit faktisch seinen gesetzlichen Kündigungsschutz.
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Der Kern des Problems: Die Schwelle von zehn Mitarbeitern, ab der das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift, gilt nur für inländische Beschäftigte. Ausländische Kollegen zählen nicht mit, selbst wenn man täglich digital mit ihnen zusammenarbeitet.
Rechtliche Einsamkeit mit Folgen
Was bedeutet das konkret? Wer als einziger deutscher Mitarbeiter für ein ausländisches Unternehmen arbeitet, gilt arbeitsrechtlich als „Kleinstbetrieb” mit einem Mitarbeiter. Das KSchG findet keine Anwendung – der Arbeitgeber kann ohne soziale Rechtfertigung kündigen.
Wie die Rechtsexperten von Arbeitsrecht Siegen heute in ihrer Analyse hervorheben: „Grenzüberschreitende Arbeitsstrukturen führen häufig zum Verlust dieses Schutzes für einzelne Arbeitsplätze in Deutschland.” Ein teurer Preis für die Flexibilität des mobilen Arbeitens.
Beweisnot beim Kündigungsschreiben: Das Ende des einfachen Weges
Während Remote-Worker um ihren Schutz bangen, haben es Arbeitgeber bei der Zustellung von Kündigungen schwerer. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Anforderungen an den Zustellnachweis deutlich verschärft.
Nach dem wegweisenden Urteil vom Juni 2024 (2 AZR 213/23), das zunächst den Anscheinsbeweis für Einwurf-Einschreiben gestärkt hatte, ruderte das BAG in der neueren Rechtsprechung 2025 teilweise zurück. Im Beschluss 2 AZR 68/24 vom 30. Januar 2025 lehnte das Gericht die Revision eines Arbeitgebers ab, dessen Zustellnachweis angezweifelt wurde.
Der Postbeleg allein reicht nicht mehr
Die Richter stellten klar: Ein Einlieferungsbeleg der Post begründet zwar eine Vermutung der Zustellung. Diese kann aber erschüttert werden, wenn der Arbeitnehmer „atypische Umstände” im Zustellvorgang glaubhaft darlegen kann. Im konkreten Fall blieb der Arbeitgeber „beweisfällig” – er konnte die detaillierte Gegenargumentation des Mitarbeiters zum Zustellzeitpunkt nicht widerlegen.
Für Personalabteilungen bedeutet dies: Der Postbeleg ist kein automatischer Freifahrtschein mehr. Bei wichtigen Kündigungen bleibt die persönliche Zustellung durch Boten der sicherste Weg – trotz des höheren Aufwands.
Homeoffice-Widerruf: Die Grenzen der Arbeitgebermacht
Nicht nur Arbeitnehmer müssen sich einschränken. Das LAG Köln (6 Sa 579/23) setzte Arbeitgebern enge Grenzen beim Widerruf von Homeoffice-Vereinbarungen. In dem vielzitierten Fall erklärten die Richter es für „unbillig”, dass ein Arbeitgeber die Homeoffice-Regelung aufhob und den Mitarbeiter gleichzeitig an einen 500 Kilometer entfernten Standort versetzte.
Die Botschaft: Das Direktionsrecht des Arbeitgebers endet dort, wo es das Leben des Mitarbeiters ohne zwingende betriebliche Gründe auf den Kopf stellt. Die etablierte Remote-Arbeitsregelung genießt rechtlichen Bestandsschutz.
Was bedeutet das für die Praxis?
Die Konvergenz dieser Urteile schafft ein komplexes Regelwerk für 2026:
Für internationale Unternehmen: Das LAG-Urteil reduziert zwar das Risiko beim Einstellen einzelner Remote-Mitarbeiter in Deutschland. Allerdings dürften qualifizierte Fachkräfte künftig verstärkt vertragliche Kündigungsschutzklauseln einfordern, um die gesetzliche Lücke zu schließen.
Für Personalabteilungen: Die BAG-Rechtsprechung zur Zustellung legt nahe, dass bei kritischen Kündigungen die persönliche Zustellung trotz höherer Kosten der Goldstandard bleiben muss.
Für Arbeitnehmer: Der „Workation”-Traum hat seinen Preis. Wer isoliert von der Hauptbelegschaft arbeitet, verliert möglicherweise fundamentale Rechte – ein Detail, das in Arbeitsverträgen oft übersehen wird.
Ausblick: Rechtsunsicherheit bleibt
Experten erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht die „Inlandsschwelle” bei Remote-Arbeit mittelfristig überprüfen wird – angesichts der zunehmenden Verbreitung dezentraler internationaler Teams führt kaum ein Weg daran vorbei. Bis dahin gilt das strikte Territorialitätsprinzip.
Unternehmen mit Matrixstrukturen sollten ihre „Remote-only”-Verträge dringend prüfen. Wie das Rechtsteam von Friedrich Graf von Westphalen in seiner aktuellen Analyse betont, müssen Firmen „ihre Organisationsgestaltung kündigungsschutzrechtlich im Blick behalten” – sonst drohen ungewollte rechtliche Überraschungen.
Die rechtliche Realität 2025: Flexibilität im Arbeiten ist möglich, aber nicht ohne rechtliches Fußangel-Risiko. Wer grenzüberschreitend oder isoliert arbeitet, sollte seinen Vertrag genau unter die Lupe nehmen.
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