Kleinunternehmer: Neue Regeln für den Vorsteuerabzug beim Statuswechsel
18.11.2025 - 22:34:12Das Finanzministerium klärt, dass Kleinunternehmer gezahlte Umsatzsteuer bei späterem Wechsel nicht abziehen können. Ausnahme bietet §15a UStG für langlebige Wirtschaftsgüter mit anteiliger Rückerstattung.
Das Bundesfinanzministerium sorgt für Klarheit bei einem der häufigsten Streitthemen im Steuerrecht: Können Kleinunternehmer nachträglich Vorsteuer geltend machen, wenn sie zur Regelbesteuerung wechseln? Die Antwort fällt ernüchternd aus – doch es gibt Ausnahmen.
Das am 10. November 2025 veröffentlichte BMF-Schreiben beendet jahrelange Unsicherheit. Die Kernbotschaft: Wer als Kleinunternehmer Waren oder Dienstleistungen kauft, kann die gezahlte Umsatzsteuer später nicht abziehen – selbst wenn der Wechsel zur Regelbesteuerung bereits feststeht. Entscheidend ist allein der Status zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Diese Klarstellung betrifft Tausende Unternehmer, die seit der Reform zum 1. Januar 2025 deutlich höhere Umsatzgrenzen nutzen können.
Die neuen Schwellenwerte haben das Spiel verändert: Statt bisher 22.000 Euro liegt die Vorjahresgrenze nun bei 25.000 Euro, die Umsatzerwartung für das laufende Jahr darf sogar 100.000 Euro betragen – zuvor waren es nur 50.000 Euro. Damit qualifizieren sich mehr Betriebe für die Kleinunternehmerregelung, gleichzeitig erreichen mehr wachsende Firmen die Grenze zum Ausstieg.
Passend zum Thema Kleinunternehmer: Unser kostenloses E‑Book “Kleinunternehmerregelung” erklärt, wann die Umsatzsteuerbefreiung sinnvoll ist, wie die neuen Schwellenwerte (25.000/100.000 €) zu bewerten sind und wann Sie mit §15a UStG Vorsteuer anteilig geltend machen können. Mit praktischen Rechenbeispielen für Investitionen, Checklisten zur Entscheidungsfindung und klaren Handlungsempfehlungen für Gründer. Ideal für Existenzgründer und Selbstständige, die vor teuren Anschaffungen stehen und die richtige Wahl treffen wollen. Kleinunternehmer-Guide jetzt kostenlos herunterladen
Vorsteuer bleibt beim Fiskus
Die zentrale Frage vieler Gründer lautete bisher: Kann ich teure Anschaffungen als Kleinunternehmer tätigen und die Vorsteuer später zurückholen, wenn ich zur Regelbesteuerung wechsle? Die Antwort des Ministeriums ist eindeutig: Nein.
Das BMF begründet dies mit der Systematik der Kleinunternehmerregelung. Wer keine Umsatzsteuer berechnet, darf im Gegenzug auch keine Vorsteuer ziehen – selbst bei Anzahlungen oder wenn der Systemwechsel bereits beschlossene Sache ist. Die Hoffnung vieler Unternehmer auf eine großzügige Auslegung hat sich damit zerschlagen.
Besonders brisant wird dies bei größeren Investitionen kurz vor dem geplanten Wechsel. Eine Maschine für 50.000 Euro plus 9.500 Euro Umsatzsteuer? Als Kleinunternehmer bleibt diese Vorsteuer definitiv beim Finanzamt – zumindest zunächst.
Der Paragraph 15a: Schmales Hintertürchen für Bestandsgüter
Doch das Ministerium lässt nicht alle Hoffnungen platzen. Über die sogenannte Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG gibt es einen Weg zur nachträglichen Erstattung – allerdings nur für längerfristige Wirtschaftsgüter.
Das Prinzip: Wechselt ein Unternehmer zur Regelbesteuerung, gilt dies als “Änderung der Verhältnisse”. Die Vorsteuer auf Anlagegüter wie Maschinen, Fahrzeuge oder Immobilien kann dann anteilig nachträglich geltend gemacht werden. Der Clou liegt im Berichtigungszeitraum: Bei beweglichen Gütern beträgt er fünf Jahre, bei Immobilien sogar zehn Jahre.
Ein Rechenbeispiel: Eine als Kleinunternehmer gekaufte Produktionsmaschine für 60.000 Euro brutto. Nach zwei Jahren erfolgt der Wechsel zur Regelbesteuerung. Von den fünf Jahren Berichtigungszeitraum bleiben drei übrig – entsprechend können 60 Prozent der ursprünglich gezahlten Umsatzsteuer (circa 6.000 Euro) nachträglich abgezogen werden.
Aber Vorsicht: Die Regelung greift nicht bei Geringwertigkeiten. Die Details finden sich in § 44 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung, der Bagatellgrenzen definiert. Kleinere Anschaffungen bleiben außen vor.
Rückwärtsgang mit Preisschild
Was in die eine Richtung gilt, funktioniert auch umgekehrt – allerdings dann zuungunsten der Unternehmer. Wer von der Regelbesteuerung zurück zum Kleinunternehmerstatus wechselt, muss einen Teil der bereits abgezogenen Vorsteuer zurückzahlen.
Die Logik dahinter: Der vollständige Vorsteuerabzug war nur gerechtfertigt, solange das Unternehmen steuerpflichtige Umsätze erzielt. Bei einem Rückwechsel muss die Vorsteuer anteilig korrigiert werden – bezogen auf die verbleibende Nutzungsdauer im Berichtigungszeitraum.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Freiberufler kauft 2024 unter Regelbesteuerung ein Fahrzeug für 35.700 Euro brutto und zieht die 5.700 Euro Vorsteuer komplett ab. 2026 wechselt er zur Kleinunternehmerregelung zurück. Von den fünf Jahren Berichtigungszeitraum bleiben drei übrig – entsprechend muss er 60 Prozent der Vorsteuer, also 3.420 Euro, ans Finanzamt zurückzahlen.
Timing ist entscheidend
Die neue Klarstellung des BMF macht eines überdeutlich: Der richtige Zeitpunkt für Investitionen entscheidet über Tausende Euro. Unternehmer, die den Wechsel zur Regelbesteuerung planen, sollten größere Anschaffungen erst nach dem offiziellen Statuswechsel tätigen.
Der Unterschied ist erheblich: Wer eine Maschine für 50.000 Euro netto als Regelbesteuerer kauft, kann die 9.500 Euro Vorsteuer sofort vollständig abziehen. Als Kleinunternehmer gekauft, lassen sich über § 15a bestenfalls Bruchteile zurückholen – und das auch nur bei langfristigen Anlagegütern.
Das Ministerium zeigt sich allerdings großzügig bei der Übergangsregelung: Steuererklärungen, die vor dem 10. November 2025 eingereicht wurden und auf anderen Interpretationen basierten, werden nicht beanstandet. Diese Nichtbeanstandungsregelung verschafft Betroffenen eine Gnadenfrist.
Strategische Weichenstellung für 2025
Mit den neuen, deutlich höheren Schwellenwerten erreichen mehr Unternehmen die kritische Grenze zum Systemwechsel. Die 100.000-Euro-Marke für das laufende Jahr ist schneller erreicht als die alten 50.000 Euro – entsprechend häufiger stellt sich die Wechselfrage.
Steuerberater berichten bereits von einem deutlichen Anstieg der Beratungsgespräche. Die Entscheidung für oder gegen die Kleinunternehmerregelung hat weitreichende Folgen: Liquiditätsvorteile durch wegfallenden Vorsteuerabzug versus Wettbewerbsnachteile gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Geschäftskunden.
Das BMF-Schreiben gilt für alle offenen Fälle und schafft bundesweit einheitliche Rechtssicherheit. Für wachsende Unternehmen bedeutet dies: Frühzeitige Planung ist Pflicht. Wer die neuen Grenzen tangiert, sollte spätestens jetzt mit einem Steuerberater die finanzielle Modellierung durchspielen – inklusive der Frage, wann welche Investitionen getätigt werden sollten.
PS: Sie planen größere Investitionen und sind unsicher, ob Sie als Kleinunternehmer oder Regelbesteuerer kaufen sollten? Das Gratis‑E‑Book erklärt mit konkreten Rechenbeispielen, welche Anlagegüter unter §15a fallen, wieviel Vorsteuer anteilig zurückgeholt werden kann und welche Fristen zu beachten sind. Nutzen Sie die Checkliste für das richtige Investitions-Timing und vermeiden Sie teure Fehlentscheidungen. Jetzt E‑Book zur Kleinunternehmerregelung downloaden


