Hinweisgeberschutzgesetz, Behörden

Hinweisgeberschutzgesetz: Behörden schalten auf Durchsetzung

27.11.2025 - 23:39:12

Drei aktuelle Entwicklungen zeigen: Die Zeit der Nachsicht ist vorbei. Das Bundeskartellamt verhängte allein 2024 Bußgelder von 19,4 Millionen Euro – und verweist dabei explizit auf Hinweise aus Whistleblower-Kanälen. Gleichzeitig mahnt der Bundestag anhaltende Lücken bei Anonymität und Schutz vor Repressalien an.

Über ein Jahr nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes für Großunternehmen und fast ein Jahr nach der Frist für mittelständische Betriebe (50-249 Beschäftigte) markiert der November 2024 eine Zäsur: Aus Aufklärung wird Durchsetzung. Wer sichere, anonyme und zugängliche Meldekanäle vermissen lässt, muss mit Konsequenzen rechnen.

Am 25. November legte das Bundeskartellamt beeindruckende Zahlen vor. In seinem aktuellen Marktmachtbericht bezifferte die Behörde die 2024 verhängten Bußgelder gegen drei Unternehmen und eine Einzelperson auf rund 19,4 Millionen Euro.

Der entscheidende Punkt: Die Behörde führt diese Erfolge ausdrücklich auf ihre externe Meldestelle zurück, die seit Juli 2023 unter dem Hinweisgeberschutzgesetz operiert. Insider-Hinweise helfen zunehmend dabei, Kartelle und Marktmissbrauch aufzudecken – besonders in der digitalen Wirtschaft und komplexen Lieferketten.

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Was bedeutet das für Unternehmen? Interne Meldekanäle sind keine bürokratische Pflichtübung, sondern eine notwendige Schutzbarriere. Fühlen sich Mitarbeiter intern nicht ernst genommen oder unsicher, können sie legal direkt zu Bundesbehörden gehen. Die Folge: Kostspielige Ermittlungen, die häufig erst durch solche externen Meldungen ins Rollen kommen.

Bundestag sieht geteilte Compliance-Landschaft

Der Bundestag veröffentlichte am selben Tag ein Briefing zum Stand des Whistleblower-Schutzes in Deutschland. Das Fazit: Die Unternehmenswelt ist zweigeteilt. Während DAX-Konzerne und große Mittelständler oft robuste “Speak-up”-Kulturen etabliert haben, hinken kleinere Betriebe hinterher.

Positiv vermerkt der Bericht, dass viele Firmen freiwillig über das gesetzliche Minimum hinausgehen – insbesondere bei der Integration von Lieferkettensorgfaltspflichten (LkSG) in ihre Whistleblower-Systeme. Doch zugleich bestehen massive Defizite bei Anonymitätsgarantien und Schutz vor Vergeltung.

Compliance-Experten warnen vor dem “Abhaken-Ansatz”: Eine generische E-Mail-Adresse statt einer sicheren digitalen Plattform reicht längst nicht mehr. “Die technische Umsetzung ist oft die Schwachstelle”, sagt ein Berliner Compliance-Analyst. “Lässt sich die Identität eines Hinweisgebers über IT-Logs zurückverfolgen, weil der Kanal nicht wirklich sicher war, drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro für mangelnde Vertraulichkeit.”

Rechtsprechung schärft Konturen bei “Repressalien”

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sorgte Mitte November für Klarheit bei einem zentralen Streitpunkt. In seinem Urteil vom 11. November 2024 definierte das Gericht die Beweislast bei mutmaßlichen Vergeltungsmaßnahmen neu.

Zwar muss der Arbeitgeber nachweisen, dass eine Kündigung oder Degradierung nicht mit der Meldung zusammenhängt – diese Schutzwirkung ist jedoch nicht absolut. Beschäftigte müssen zunächst einen plausiblen Zusammenhang zwischen Meldung und nachteiliger Maßnahme darlegen.

“Unternehmen müssen jede Personalentscheidung penibel dokumentieren”, rät Arbeitsrechtler Dr. Thomas Müller. “Kündigen Sie einem Whistleblower kurz nach dessen Meldung wegen echten Fehlverhaltens, brauchen Sie hieb- und stichfeste Belege für die Unabhängigkeit der beiden Ereignisse. Das LAG Niedersachsen bestätigt: Gerichte prüfen die zeitliche Abfolge sehr genau.”

Von passiver Umsetzung zu aktiver Kontrolle

Die Entwicklungen Ende November 2024 markieren einen Wendepunkt. Die Phase der “ersten Implementierung” endet, die Phase der “aktiven Prüfung” beginnt.

Besonders brisant: Das Zusammenspiel zwischen Hinweisgeberschutzgesetz, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und dem kommenden EU AI Act schafft eine komplexe Compliance-Matrix. Experten empfehlen zunehmend, Meldekanäle zu konsolidieren. Ein Silo-Ansatz – bei dem HR Diskriminierungsbeschwerden bearbeitet, die Rechtsabteilung Betrugsfälle und ein separater Beauftragter LkSG-Verstöße – erweist sich als ineffizient und rechtlich riskant.

Die aggressive Nutzung von Whistleblower-Daten durch das Bundeskartellamt lässt für 2025 einen Anstieg “externer” Meldungen erwarten. Gewinnen Unternehmen nicht das Vertrauen ihrer Belegschaft durch transparente und effektive interne Bearbeitung von Missständen, verlieren sie die Kontrolle über die Darstellung an Behörden und Presse.

Was kommt 2025?

Anfang 2025 sollten Unternehmen mit folgenden Entwicklungen rechnen:

Gezielte Audits: Datenschutzbehörden und das Bundesamt für Justiz werden voraussichtlich Stichproben bei mittelständischen Betrieben durchführen, um Existenz und Funktionsfähigkeit der Meldekanäle zu überprüfen.

Standardisierung: Die Einführung von ISO 37002 (Whistleblowing-Management-Systeme) dürfte zum De-facto-Standard werden, um vor Gericht “Best Practice” nachzuweisen.

Erste Großbußgelder: Nach Ablauf aller Übergangsfristen werden im ersten Quartal 2025 die ersten signifikanten Bußgelder erwartet – nicht nur für Vergeltungsmaßnahmen, sondern auch für das schlichte Fehlen eines Systems.

Für Compliance-Verantwortliche gilt jetzt: System überprüfen, Anonymität testen und sicherstellen, dass die “Speak-up”-Kultur mehr ist als ein Absatz im Mitarbeiterhandbuch.

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