Gesundheits-Digitalisierung: Neue Sicherheitsstufe trotz Ärzteprotest
04.12.2025 - 21:09:12Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens erreicht eine kritische Phase: Während die nationale IT-Agentur gematik ab 1. Dezember den “Nachweis der Patientenpräsenz” (PoPP) einführt, mobilisiert der Ärzteverbund MEDI seine Mitglieder gegen drohende Sanktionen bei der elektronischen Patientenakte. Fortschritt und Widerstand prallen ungebremst aufeinander.
Die Fronten sind verhärtet. Auf der einen Seite neue Sicherheitsprotokolle und vereinfachte Zugänge zur digitalen Identität. Auf der anderen Seite Ärzte, die sich für Systemversagen zur Verantwortung gezogen sehen, und Krankenkassen, die den Rotstift ansetzen wollen. Was bedeutet das für Patienten und die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung?
Seit Montag läuft die Umsetzung des PoPP-Dienstes offiziell. Das Technologieanbieter RISE erhielt den Zuschlag für die erste Implementierungsstufe. Das System soll eine der hartnäckigsten Schwachstellen von E-Rezept und elektronischer Patientenakte schließen: die Überprüfung, ob ein Patient tatsächlich mit einem Gesundheitsdienstleister interagiert.
Die neue Protokollschicht verlangt einen kryptographischen Nachweis der Patientenpräsenz – entweder physisch in der Praxis oder über zugelassene digitale Kanäle – bevor sensible Daten abgerufen oder Rezepte ausgestellt werden können. Ein längst überfälliger Schritt für Datenschützer, die seit Jahren vor Missbrauchsrisiken warnen.
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Parallel genehmigte gematik das VideoIdent-Verfahren für die Einrichtung der GesundheitsID. Patienten können ihre digitale Identität nun aus der Ferne erstellen, ohne eine Filiale aufsuchen zu müssen. Das dürfte den bisherigen Engpass bei der Nutzerakzeptanz deutlich entschärfen.
Ärzte in Aufruhr: “Bestraft für fremde Fehler”
Doch die technische Aufrüstung kann nicht überdecken, dass der politische Konflikt eskaliert. Am Mittwoch kündigte MEDI an, seine Mitglieder aktiv gegen Sanktionen im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte zu mobilisieren. Der Verband bereitet rechtlichen Widerstand und mögliche Protestaktionen vor.
Der Kern des Streits: Die verpflichtende “ePA für alle” stellte Praxen vor technische Anforderungen, die oft wegen Versagens der Softwareanbieter nicht erfüllt werden können. Dennoch tragen die Ärzte das finanzielle Risiko. “Wir erleben, wie Mediziner für das Versagen der Industrie bestraft werden”, erklärte ein MEDI-Sprecher. Der Fokus müsse auf Systemstabilität liegen, nicht auf Strafmaßnahmen.
Die Mobilisierung umfasst Aufrufe zur Verweigerungshaltung, sollte das Bundesgesundheitsministerium Honorarkürzungen für Praxen durchsetzen, die ePA-Funktionen aus externen technischen Gründen nicht vollständig unterstützen können.
Krankenkassen setzen auf Sparkurs
Als wäre die Lage nicht angespannt genug, präsentierte der GKV-Spitzenverband am Mittwoch eine kontroverse “Sparliste”. Angesichts steigender Kosten und eines prognostizierten Defizits für 2026 fordern die gesetzlichen Krankenkassen eine Rückkehr zu strikter Budgetierung und Kostenkontrolle.
Diese finanzielle Kehrtwende bedroht direkt das Budget für die digitale Transformation. Die Versicherer signalisieren, dass sie die steigenden Kosten der Telematikinfrastruktur und neuer Dienste nicht unbegrenzt subventionieren können – außer der Bund springt ein oder es wird anderswo gestrichen. Die Befürchtung: Gerade wenn die Systeme endlich funktionieren, könnte ihnen das Geld ausgehen.
Realitätscheck in der Praxis
Um die Kluft zwischen technischer Planung und medizinischem Alltag zu überbrücken, absolvierte gematik-Chef Dr. Florian Fuhrmann am Dienstag einen “Praxischeck”. Bei direkten Austauschen mit Ärzten beobachtete er die ePA-Performance im täglichen Betrieb.
Laut gematik sollen konkrete Reibungspunkte identifiziert werden, die im Labor nicht auftauchen. Fuhrmann betonte, dass Nutzerfeedback nun der Haupttreiber für die nächste Update-Welle sei. Dieser versöhnliche Ton steht in scharfem Kontrast zur hitzigen Rhetorik der Ärzteverbände – als würde sich eine Art “Good Cop, Bad Cop”-Dynamik zwischen technischer Agentur und politischer Führung entwickeln.
Volatiler Winter für die Digital-Gesundheit
Die kommenden Wochen werden entscheidend. Setzt das Ministerium Sanktionen gegen Ärzte durch, während die Krankenkassen den Rotstift ansetzen, könnte die digitale Offensive Anfang 2026 in einem “perfekten Sturm” aus Streiks und Unterfinanzierung münden.
Umgekehrt könnte die erfolgreiche Integration des PoPP-Dienstes endlich jene Sicherheits- und Vertrauensschicht liefern, die Datenschutzkritiker zum Schweigen bringt. Eines ist sicher: Die technischen Fähigkeiten wachsen, doch die Akzeptanz unter Praktikern bröckelt.
Patienten sollten ihren GesundheitsID-Status prüfen und sich auf mögliche Verzögerungen in Praxen einstellen, während sich das Personal an die neuen Arbeitsabläufe beim Nachweis der Patientenpräsenz gewöhnt.
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