Gehaltsklage: Ein Vergleich genügt jetzt als Beweis
17.11.2025 - 12:59:12Das Bundesarbeitsgericht hat die Spielregeln neu geschrieben. Wer sich als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer diskriminiert fühlt, muss künftig nur noch einen einzigen besser bezahlten Kollegen oder eine Kollegin des anderen Geschlechts zum Vergleich heranziehen. Schon entsteht die rechtliche Vermutung einer Lohnbenachteiligung – und der Arbeitgeber steht unter Rechtfertigungszwang.
Die Entscheidung vom 23. Oktober fällt in eine Zeit, in der Deutschland ohnehin schärfere Transparenzregeln umsetzen muss. Bis Juni 2026 läuft die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Was bedeutet das konkret für Unternehmen und Beschäftigte?
Im Kern dreht sich alles um das Prinzip des Paarvergleichs. Das Bundesarbeitsgericht stellte im Fall 8 AZR 300/24 unmissverständlich klar: Wer nachweisen kann, dass ein Kollege oder eine Kollegin des anderen Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit mehr verdient, hat bereits einen starken Anfangsverdacht geschaffen.
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Damit kassierte das Gericht eine Vorinstanz, die noch verlangt hatte, dass eine “überwiegende Wahrscheinlichkeit” der Diskriminierung nachgewiesen werden müsse – oft anhand des Mediangehalts einer größeren Vergleichsgruppe. Schluss damit: Auch der Vergleich mit dem Spitzenverdiener im Team ist jetzt zulässig. Die Größe der Vergleichsgruppe oder Durchschnittswerte? Für die Einleitung eines Verfahrens schlicht irrelevant.
Beweislast kippt auf die Arbeitgeberseite
Hier wird es für Unternehmen heikel. Sobald der Paarvergleich steht, greift eine gesetzliche Vermutung: Die Gehaltsdifferenz beruht auf dem Geschlecht. Jetzt muss der Arbeitgeber liefern – mit objektiven, transparenten und nachvollziehbaren Gründen für die Gehaltsunterschiede.
Welche Argumente ziehen noch? Höhere Qualifikation, mehr Berufserfahrung, messbar bessere Leistung – sofern diese Kriterien dokumentiert und einheitlich angewendet wurden. Was nicht mehr durchgeht: Schwammige Begründungen wie “besseres Verhandlungsgeschick”. Das Gericht hat solche Ausflüchte bereits in früheren Entscheidungen zurückgewiesen und bleibt dieser Linie treu.
Für Personalabteilungen bedeutet das: Lückenlose Dokumentation wird zur Pflicht. Wer keine klaren, belegbaren Vergütungskriterien vorweisen kann, steht mit leeren Händen da.
Daimler Truck als Testfall
Den Anstoß für die Grundsatzentscheidung gab eine Abteilungsleiterin bei Daimler Truck AG. Sie klagte auf rückwirkende Gehaltsanpassung, nachdem sie über ein internes Transparenz-Dashboard festgestellt hatte: Ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen deutlich mehr.
Die Vorinstanz hatte ihr zunächst nur eine Teilsumme zugesprochen – basierend auf der Differenz zum Mediangehalt. Das Bundesarbeitsgericht schickte den Fall zurück an das Landesarbeitsgericht. Dort muss Daimler Truck nun konkret darlegen, warum die Klägerin weniger verdiente als die benannten männlichen Kollegen. Juristen verweisen darauf, dass das BAG die Gehaltsfindung für Führungskräfte beim Konzern als “wenig transparent” kritisierte.
Was kommt auf Unternehmen zu?
Die Entscheidung verstärkt das bereits bestehende Regelwerk zur Lohngleichheit massiv. Sie fügt sich ein in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Entgelttransparenzgesetz – und setzt deutsche Rechtsprechung nun noch enger an die Vorgaben der EU an. Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union garantiert schließlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Doch das ist erst der Anfang. Bis zum 7. Juni 2026 muss Deutschland die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in nationales Recht überführen. Erst Anfang November legte eine Regierungskommission ihre Empfehlungen vor: Neue Berichtspflichten, erweiterte Auskunftsrechte für Beschäftigte. Der regulatorische Druck steigt weiter.
Praxistipps für den Arbeitsalltag
Was sollten Unternehmen jetzt tun? Eine ehrliche Gehaltsanalyse ist der erste Schritt. Gibt es systematische Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Lassen sich alle Vergütungsentscheidungen der letzten Jahre nachvollziehbar begründen?
Für Beschäftigte eröffnet das Urteil neue Möglichkeiten. Wer Zweifel hat, kann gezielt Auskunft über vergleichbare Positionen verlangen – und notfalls mit einem einzigen Beispielfall vor Gericht ziehen. Die Hürde liegt nun niedrig, der Wind steht günstig.
Eines ist klar: Lohngleichheit entwickelt sich vom hehren Ziel zur justiziablen Verpflichtung. Deutschland macht Ernst – und die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt ein deutliches Signal an alle Arbeitgeber.
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