Firmenwagen statt Gehalt? BSG verbietet Mindestlohn-Trick
17.11.2025 - 13:00:12Einen Dienstwagen anzubieten reicht nicht: Arbeitgeber müssen den Mindestlohn bar auszahlen – sonst drohen saftige Nachzahlungen.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat heute eine weitreichende Entscheidung gefällt, die Tausende Unternehmen in Deutschland betreffen dürfte. Wer seinen Mitarbeitern statt Bargeld einen Firmenwagen überlässt, erfüllt damit nicht den gesetzlichen Mindestlohnanspruch. Die Folge: Arbeitgeber müssen nicht nur den versäumten Lohn nachzahlen, sondern auch Sozialversicherungsbeiträge auf einen fiktiven Mindestlohn – zusätzlich zu den bereits abgeführten Abgaben für den Dienstwagen.
Das am 13. November verkündete Urteil stellt klar: Der Mindestlohn ist eine Geldschuld, die der Existenzsicherung dient. Und die lässt sich nun mal nicht mit vier Rädern begleichen.
Die Entscheidung des 12. Senats betraf zwei Fälle, in denen Arbeitgeber ihren Teilzeitkräften ausschließlich einen Dienstwagen als Vergütung zur Verfügung gestellt hatten. Diese Praxis ist ab sofort Geschichte. Das Gericht bestätigte die Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung Bund, die bereits Beitragsnachforderungen gestellt hatte.
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Die Konsequenzen sind gravierend: Selbst wenn der geldwerte Vorteil des Firmenwagens rechnerisch über dem Mindestlohn liegt, entsteht ein fiktiver Lohnanspruch. Auf diesen werden vollumfänglich Sozialversicherungsbeiträge fällig – zusätzlich zu den bereits gezahlten Abgaben für den Dienstwagen. Eine doppelte Belastung, die für betroffene Unternehmen schnell teuer werden kann.
Verantwortlich für die nun drohenden Nachzahlungen ist die klare gesetzliche Intention: Der Mindestlohn soll den Lebensunterhalt sichern. Dafür braucht es verfügbares Einkommen, nicht Blechkarosserien.
Verträge müssen sofort überarbeitet werden
Arbeitsrechtsexperten raten Unternehmen zu sofortiger Prüfung ihrer Vergütungsmodelle. Verträge, in denen Mitarbeiter überwiegend oder ausschließlich mit Sachleistungen entlohnt werden, sind rechtswidrig. Jede Arbeitsstunde muss mit dem gesetzlichen Mindestlohn in bar vergütet werden.
Sachbezüge wie ein Firmenwagen? Durchaus erlaubt – aber nur als zusätzliche Leistung obendrauf. Zur Erfüllung der Mindestlohnpflicht taugen sie nicht. Das BSG stellte unmissverständlich klar: Selbst wenn der Wert des Dienstwagens die vereinbarte Vergütung übersteigt, bleiben die Beitragsforderungen rechtmäßig.
Keine Überraschung für Kenner
Wer die Rechtsprechung verfolgt hat, wird nicht überrascht sein. Bereits am 25. Mai 2016 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) geurteilt, dass der Mindestlohn als verfügbares Einkommen gezahlt werden muss. Das BSG zieht nun die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen nach – und die haben es in sich.
Die Urteile unterstreichen den strengen Schutzcharakter des Mindestlohngesetzes. Der Gesetzgeber will jede Umgehung des Barlohngebots verhindern. Anrechenbar sind nur Zahlungen, die direkte Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen.
Kontrollbehörden erhöhen den Druck
Für die Praxis bedeutet das Urteil einen Wendepunkt. Die Zollverwaltung als Kontrollbehörde und die Deutsche Rentenversicherung werden die Einhaltung verstärkt überprüfen. Betriebsprüfungen dürften künftig besonders kritisch auf Vergütungsmodelle im Niedriglohnbereich schauen.
Arbeitnehmer hingegen können aufatmen: Sie haben einen unbedingten Anspruch auf Barauszahlung des Mindestlohns. Ansprüche können rückwirkend geltend gemacht werden – die gesetzlichen Verjährungsfristen sind dabei zu beachten.
Kein Wunder also, dass Arbeitsrechtskanzleien bereits eine Welle von Anfragen melden. Unternehmen, die jetzt nicht handeln, riskieren teure Nachforderungen und juristische Auseinandersetzungen. Das Urteil des BSG (Az.: B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R) schafft endgültige Klarheit – und zwingt viele Betriebe zum Umdenken bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge.
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