Firmenwagen kein Ersatz für Mindestlohn: BSG setzt Arbeitgeber unter Druck
17.11.2025 - 08:19:11Eine Serie wegweisender Urteile zur Lohngestaltung zwingt deutsche Unternehmen zum Handeln. Das Bundessozialgericht stellte klar: Die Überlassung eines Dienstwagens ersetzt nicht den gesetzlichen Mindestlohn – und das hat finanzielle Folgen.
Die Entscheidung aus Kassel vom 13. November trifft Arbeitgeber hart. In zwei Verfahren bestätigte das BSG die Position der Deutschen Rentenversicherung: Der gesetzliche Mindestlohn muss bar ausgezahlt werden. Sachleistungen wie ein Firmenwagen? Zählen nicht.
Konkret ging es um Teilzeitbeschäftigte, die ausschließlich durch die Nutzung eines Dienstwagens entlohnt wurden. Die Arbeitgeber hatten darauf Sozialversicherungsbeiträge abgeführt – und gedacht, damit ihrer Pflicht nachgekommen zu sein. Ein Trugschluss, wie sich nun zeigt.
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Die Konsequenz ist eindeutig: Unternehmen müssen auf den Mindestlohn Sozialversicherungsbeiträge zahlen – zusätzlich zu den bereits abgeführten Beiträgen für den Dienstwagen. Das Gericht ließ keinen Spielraum für Interpretationen.
Sollte der Wert des Firmenwagens die vereinbarte Vergütung übersteigen, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies zwar privat klären. An der Beitragspflicht auf den nicht gezahlten Mindestlohn ändert das jedoch nichts. Die Aktenzeichen B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R markieren damit das Ende einer gängigen Praxis.
HR-Abteilungen stehen nun vor einer dringenden Aufgabe: Alle Vergütungsmodelle im Niedriglohnbereich müssen überprüft werden. Drohen Nachzahlungen?
BAG stärkt befristet Beschäftigte bei Entgeltstufen
Parallel dazu verschärfte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Anforderungen an Tarifverträge. Am selben Tag entschied es: Längere Aufstiegszeiten in Gehaltstabellen für ehemalig befristet Beschäftigte sind diskriminierend.
Der Fall betraf ein Logistikunternehmen. Nach einer Umstrukturierung führte ein neuer Tarifvertrag längere Stufenlaufzeiten für alle nach dem 30. Juni 2019 eingestellten Mitarbeiter ein. Eine Mitarbeiterin, die zuvor befristet beschäftigt und dann entfristet wurde, sollte nun länger auf Gehaltssteigerungen warten als ihre dauerhaft angestellten Kollegen.
Das BAG sah darin einen klaren Verstoß gegen § 4 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Die diskriminierende Regelung wurde für unwirksam erklärt. Die bereits in der Befristung erworbene Betriebszugehörigkeit darf nicht zum Nachteil der Beschäftigten ignoriert werden.
Probezeit im befristeten Vertrag: Keine feste Obergrenze
Neue Klarheit gibt es auch bei der Länge von Probezeiten. Eine am 16. November veröffentlichte Analyse eines BAG-Urteils vom 30. Oktober (2 AZR 160/24) zeigt: Es existiert keine starre Höchstdauer für Probezeiten in befristeten Verträgen.
Entscheidend ist die sachliche Rechtfertigung durch die Komplexität der Tätigkeit. Im konkreten Fall hielt das Gericht eine viermonatige Probezeit bei einem einjährigen Vertrag für zulässig – begründet durch einen anspruchsvollen 16-wöchigen Einarbeitungsplan.
Doch Vorsicht: Eine unangemessen lange Probezeit ohne triftigen Grund kann vor Gericht scheitern. Zudem bleibt die sechsmonatige Wartezeit für den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz unberührt – unabhängig von der vereinbarten Probezeit.
EuGH-Urteil setzt Deutschland unter Zugzwang
Auf europäischer Ebene sorgt ein EuGH-Urteil vom 11. November für Bewegung. Der Gerichtshof kassierte Teile der EU-Mindestlohnrichtlinie – konkret die Vorgaben für einheitliche Kriterien zur Lohnhöhe wie die 60-Prozent-Marke des Medianlohns.
Ein Erfolg für Mitgliedstaaten wie Dänemark, die gegen diese vermeintliche Übergriffigkeit geklagt hatten. Doch andere Bestimmungen bleiben gültig: Länder mit einer Tarifbindung unter 80 Prozent müssen Aktionspläne zur Stärkung der Tarifverhandlungen vorlegen.
Deutschland liegt mit rund 50 Prozent Tarifbindung deutlich darunter. Das Bundesarbeitsministerium bestätigte am 14. November: Am deutschen Mindestlohngesetz ändert sich nichts. Doch der geforderte Aktionsplan muss bis Ende 2025 nach Brüssel.
Wird die Bundesregierung neue Anreize für Tarifverträge schaffen? Die politische Debatte dürfte schon bald Fahrt aufnehmen.
Gleiches Geld für gleiche Arbeit: BAG erleichtert Diskriminierungsklagen
Die Rechtsprechung zum Lohngefälle zwischen den Geschlechtern wird ebenfalls schärfer. Eine am 14. November veröffentlichte Analyse eines BAG-Urteils vom 23. Oktober zeigt: Bereits die niedrigere Bezahlung gegenüber einem einzigen männlichen Kollegen bei gleicher Tätigkeit kann die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung begründen.
Die Beweislast kehrt sich um – der Arbeitgeber muss nachweisen, dass objektive Gründe für die Gehaltsdifferenz vorliegen. Ein Signal, das die Durchsetzung von Entgeltgleichheit deutlich erleichtert.
Handlungsbedarf für Unternehmen steigt
Die Urteile der vergangenen Woche haben eines gemeinsam: Sie stärken die Position der Arbeitnehmer erheblich. Das BSG-Urteil zum Firmenwagen schützt Geringverdiener vor kreativen Vergütungsmodellen, die Bargeldzahlungen durch Sachleistungen ersetzen wollen.
Die BAG-Entscheidungen zur Diskriminierung befristet Beschäftigter und zur Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern zeigen: Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung wird nicht mehr toleriert.
Für HR-Abteilungen bedeutet das: Dringender Prüfbedarf bei Arbeitsverträgen, Tarifvereinbarungen und Vergütungsstrukturen. Wer jetzt nicht handelt, riskiert kostspielige Nachforderungen und Prozesse. Die Gerichte haben die Messlatte für faire Arbeitsbedingungen deutlich höher gelegt.
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