Europa verschärft Regeln für Gesundheits-Apps drastisch
06.10.2025 - 18:21:02Neue EU-Leitlinien setzen App-Entwickler unter Druck
Die digitale Gesundheitsbranche steht vor einem Wendepunkt: Während Millionen Europäer zunehmend auf mobile Anwendungen zur Gesundheitsüberwachung setzen, verschärfen die Behörden massiv die Vorschriften. Das Ergebnis? Ein komplett neues Regelwerk, das App-Entwickler, Gesundheitsanbieter und Patienten gleichermaßen betrifft.
Der Markt boomt gewaltig. Experten schätzen, dass der europäische Digital-Health-Sektor bis 2033 einen Wert von fast 500 Milliarden Euro erreichen könnte. Getrieben wird dieses Wachstum von chronischen Krankheiten, einer alternden Gesellschaft und der massenhaften Verbreitung von Smartphones und Wearables.
Doch mit der Expansion kommen die Regulierer. Die Europäische Gesundheitsdatenraumverordnung (EHDS), die am 26. März 2025 in Kraft trat, läutet eine mehrjährige Umbruchphase ein. Patienten sollen mehr Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten erhalten, während gleichzeitig der sichere Datenaustausch für Forschung und Innovation gefördert wird.
Die Medizinprodukte-Koordinierungsgruppe der EU (MDCG) hat im Juni 2025 eine wegweisende Entscheidung getroffen: Medizinische Apps unterliegen denselben strengen Vorschriften wie traditionelle Medizingeräte. Das Hochladen einer medizinischen App in den Apple App Store oder Google Play Store gilt bereits als „Inverkehrbringen“ – und erfordert komplette Konformität mit der Medizinprodukteverordnung.
Was bedeutet das konkret? CE-Kennzeichnung, klare Zweckbestimmung und umfassende Sicherheitsdokumentation sind jetzt Pflicht, bevor eine App überhaupt den Nutzer erreicht. Selbst die App-Plattformen stehen unter Beobachtung: Sie können nun als Importeure oder Vertreiber eingestuft werden und müssen zertifizierte medizinische Apps von reinen Wellness-Anwendungen unterscheiden.
Die überarbeitete EU-Produkthaftungsrichtlinie geht noch einen Schritt weiter: Software, einschließlich KI und medizinische Apps, gilt explizit als „Produkt“. Entwickler können somit für Defekte, Cybersicherheitslücken oder Probleme durch Software-Updates haftbar gemacht werden.
Gesundheitswesen im Visier der Hacker
Die rasante Digitalisierung hat leider auch Cyberkriminelle angelockt. Die EU-Cybersicherheitsagentur ENISA stuft den Gesundheitssektor als besonders gefährdet ein – ein fataler Spagat zwischen hoher Kritikalität und schwacher Cybersicherheit.
Die Zahlen sind alarmierend: 309 bedeutende Cyberattacken allein 2023 in EU-Ländern, mehr als in jeder anderen kritischen Branche. Ransomware dominiert mit 54 Prozent aller Angriffe zwischen 2021 und 2023. Die Folgen? Gestohlene Patientendaten, lahmgelegte Systeme und verzögerte Behandlungen.
Besonders verwundbar macht das Gesundheitswesen seine Abhängigkeit von komplexen Lieferketten und veralteten IT-Systemen. Hinzu kommt ein neuer Trend: Politisch motivierte „Hacktivisten“ mischen zunehmend mit, auch wenn ihre Angriffe bisher weniger Schäden verursachen als finanziell motivierte Ransomware-Attacken.
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Innovation versus Patientenvertrauen
Der Erfolg der digitalen Gesundheitswende hängt am Vertrauen der Patienten. Trotz robustem Marktwachstum bleiben Datenschutzsorgen ein massives Hindernis. Umfragen zeigen: Die meisten Verbraucher sind beunruhigt über die Datensammelwut der Unternehmen und den Umgang mit ihren persönlichen Informationen.
Erschreckend ehrlich wird es bei den Zahlen: Nur 24 Prozent der Gesundheitsführungskräfte sind laut einem PwC-Bericht von 2025 zuversichtlich, dass sie Datenschutzbestimmungen einhalten. Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission einen Verhaltenskodex für mobile Gesundheits-Apps entwickeln lässt.
Das EHDS versucht den Spagat: Datenschutz durch Design, Patientenrechte zur Zugriffsbeschränkung und Opt-out-Optionen für grenzüberschreitenden Datenaustausch. Eine Gratwanderung zwischen Innovation und fundamentalem Datenschutz.
Schrittweise Umsetzung bis 2029
Rom wurde nicht an einem Tag erbaut – und Europas digitales Gesundheitssystem auch nicht. Das EHDS wird phasenweise umgesetzt: 2027 verabschiedet die Kommission detaillierte Durchführungsbestimmungen, 2029 greifen die Regeln für primäre und sekundäre Datennutzung vollständig.
Für Entwickler und Tech-Unternehmen ist die Botschaft klar: Sicherheit und Compliance sind nicht verhandelbar. Die neuen Leitlinien für medizinische Software und Produkthaftungsregeln signalisieren einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Verantwortung.
Parallel rüstet sich die EU gegen Cyberbedrohungen: Ein europaweites Cybersicherheits-Unterstützungszentrum und maßgeschneiderte Sicherheitsbewertungen für das Gesundheitswesen sollen die Abwehr stärken. Das Ziel bleibt ehrgeizig: ein sicheres, interoperables und patientenzentriertes digitales Gesundheitsökosystem für alle Europäer.