EUDR-Chaos, EU-Wirtschaft

EUDR-Chaos: EU-Wirtschaft zwischen Entwaldungsschutz und Bürokratiekollaps

18.11.2025 - 00:10:12

Brüssel, 17. November 2025 – Nur noch sechs Wochen bis zum Stichtag, doch statt Klarheit herrscht in Europas Unternehmen blankes Entsetzen: Die EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) droht zum Bürokratiemonster zu werden. Was als ökologischer Meilenstein geplant war, entwickelt sich zum wirtschaftspolitischen Albtraum. Branchenverbände sprechen von einer „Mogelpackung”, während die Politik in Brüssel zerstritten ist wie selten zuvor.

Für Tausende Importeure von Kaffee, Kakao, Palmöl und Holz tickt die Uhr. Können sie bis Ende Dezember nachweisen, dass ihre Produkte nicht auf gerodeten Waldflächen entstanden? Die Antwort: Viele wissen es schlicht nicht – und die EU liefert keine Lösung.

Im September klang es noch nach Vernunft. EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall stellte eine einjährige Verschiebung der gesamten Verordnung in Aussicht. Die Wirtschaft atmete auf. Doch der offizielle Vorschlag vom 21. Oktober brachte die kalte Dusche: Statt eines klaren Aufschubs präsentierte Brüssel ein kompliziertes Stufenmodell.

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Mittlere und große Unternehmen müssen ab dem 30. Dezember 2025 liefern – theoretisch. Praktisch sollen Behörden bis Ende Juni 2026 nur verwarnen, nicht bestrafen. Eine sechsmonatige Schonfrist, die Kritiker als „Beruhigungspille ohne Wirkstoff” bezeichnen.

Kleine und Kleinstbetriebe erhalten Aufschub bis Ende 2026. Immerhin. Doch was nützt die Gnadenfrist, wenn die Anforderungen selbst kaum erfüllbar sind?

Nachgelagerte Unternehmen wie Druckereien oder Lebensmittelhersteller sollen von eigenen Sorgfaltserklärungen befreit werden. Klingt gut – bis man das Kleingedruckte liest: Sie müssen stattdessen Referenznummern durch die gesamte Lieferkette verfolgen. Hunderte, Tausende Nummern für jeden Produktstapel.

„Bürokratiemonster”: Industrie läuft Sturm

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, brachte es auf den Punkt: Die Kernprobleme bleiben bestehen. Geolokalisation jeder Anbaufläche, Vorab-Registrierung aller Betriebe – technisch und rechtlich eine Mammutaufgabe.

Besonders pikant: Das System zur Verwaltung der Referenznummern könnte den Aufwand sogar erhöhen statt senken. Industrieverbände rechnen vor, dass mittelständische Verarbeiter künftig mehr Daten verwalten müssen als zuvor – nur eben in anderer Form.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) mahnt: „Die Politik muss die Zeit nutzen, um praktikable Lösungen zu schaffen.” Planungs- und Rechtssicherheit? Fehlanzeige. Im Februar hatten Testläufe in der deutschen Holzindustrie bereits gezeigt: Eine Umsetzung ist derzeit technisch unmöglich.

Kein Wunder also, dass die Frustration wächst. Was nützt der beste Umweltschutz, wenn selbst willige Unternehmen an der Realität scheitern?

Politischer Grabenkampf in Brüssel

Das Europäische Parlament gleicht derzeit einem Minenfeld. Die konservative EVP-Fraktion fordert Verschiebung und Vereinfachung. Sozialdemokraten, Grüne und Linke lehnen wesentliche Änderungen kategorisch ab. Am 13. November stimmte das Parlament einem Eilverfahren zu – Entscheidung könnte bereits Ende November fallen.

Parallel formiert sich Widerstand in den Mitgliedstaaten. Österreich führt eine Gruppe an, die eine klare Jahresfrist für alle Unternehmen fordert. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger geht noch weiter: Er will die Verordnung für heimische Produkte komplett kippen. Seine Begründung? „In Deutschland betreiben wir bereits nachhaltige Forstwirtschaft.”

Auf der Gegenseite stehen Umweltverbände – und überraschend auch Konzerne wie Nestlé und Ferrero. Ihr Argument: Wer bereits Millionen in Compliance-Systeme investiert hat, würde durch einen Aufschub bestraft. Ein weiteres Aufschieben untergrabe die Klimaziele der EU.

Ein Dilemma ohne einfache Lösung. Doch während Brüssel streitet, läuft die Uhr gnadenlos weiter.

Ambition trifft Realität: Das Grundproblem der EUDR

Das Ziel der Verordnung ist ehrenwert: Kein EU-Import mehr, für den nach Ende 2020 Wald gerodet wurde. Betroffen sind Kaffee, Kakao, Palmöl, Holz, Soja, Rindfleisch und Kautschuk – Produkte, die täglich Millionen Europäer konsumieren.

Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft ein Abgrund. Die Anforderungen sind immens:

  • Lückenlose Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprungsgrundstück
  • Geokoordinaten jeder Parzelle
  • Funktionstüchtiges EU-Informationssystem zur Datenverarbeitung

Selbst große Konzerne kämpfen mit der Umsetzung. Für kleine und mittlere Unternehmen wird es existenzbedrohend. Die Kaffeerösterei aus Schwaben, die ihre Bohnen über drei Zwischenhändler aus Brasilien bezieht? Sie soll nun GPS-Daten von Plantagen vorlegen, die sie nie gesehen hat.

Die aktuelle Debatte offenbart das Kernproblem europäischer Regulierung: Hohe Ziele sind wichtig – aber nur, wenn die Mittel zur Umsetzung existieren.

Sechs Wochen bis zum Showdown

Ende November wird das Europäische Parlament abstimmen. Scheitert eine Einigung zwischen Parlament und Rat, tritt die EUDR am 30. Dezember 2025 in ihrer ursprünglichen Fassung in Kraft. Für alle großen und mittleren Unternehmen. Ohne Aufschub, ohne Anpassungen.

Die Folgen wären drastisch: Lieferkettenunterbrechungen, Warenblockaden an EU-Grenzen, juristische Unsicherheit. Behörden sind kaum vorbereitet, IT-Systeme nicht einsatzbereit. Selbst die EU-Kommission räumt ein, dass zentrale Infrastruktur noch fehlt.

Wirtschaftsverbände fordern eine klare Botschaft – und zwar sofort. Jeder Tag Unsicherheit kostet Planbarkeit. Investitionen werden verschoben, Verträge nicht verlängert, Märkte verloren.

Wird Brüssel rechtzeitig zur Vernunft kommen? Oder erleben wir zum Jahreswechsel das nächste Kapitel europäischer Regulierungschaos? Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die EU aus vergangenen Fehlern gelernt hat – oder ob ökologische Ambition erneut an bürokratischer Realität zerschellt.

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