Kontrolle, Social-Media-Plattformen

EU verschärft Kontrolle von Social-Media-Plattformen zum Schutz Minderjähriger

16.10.2025 - 22:35:02

Die EU-Kommission startet erste Durchsetzungsmaßnahmen gegen Tech-Plattformen wegen unzureichendem Kinderschutz. Snapchat, YouTube und App-Stores müssen sich zu Schutzmaßnahmen erklären.

Die EU macht ernst: Erstmals seit Inkrafttreten des Digital Services Act gehen Parlament und Kommission massiv gegen Tech-Giganten vor. Snapchat, YouTube sowie die App-Stores von Apple und Google stehen unter Verdacht, Kinder unzureichend zu schützen.

Was nach Jahren der Diskussion beginnt, ist die harte Realität für Silicon Valley. Das EU-Parlament fordert ein Verbot suchterzeugender Design-Features und droht mit Milliarden-Strafen. Gleichzeitig verschickte die Kommission vergangene Woche ihre ersten offiziellen Anfragen an die Plattformen – der Startschuss für eine neue Ära der Durchsetzung.

Der Digital Services Act gilt seit Februar 2024 vollständig in der EU. Jetzt zeigt sich: Die Regulierungsbehörden meinen es ernst mit dem Schutz der jüngsten Nutzer.

Parlament will härtere Gangart

Am gestrigen Mittwoch verabschiedete der Binnenmarkt- und Verbraucherschutzausschuss des EU-Parlaments einen unmissverständlichen Bericht. Die Abgeordneten fordern von der Kommission, ihre vollen Befugnisse auszuschöpfen – notfalls bis hin zu Verboten von Diensten, die Kinder gefährden.

Konkret sollen “süchtig machende” Design-Features und glücksspielartige Mechanismen wie Lootboxen verboten werden. Engagement-basierte Empfehlungsalgorithmen müssten für Minderjährige standardmäßig deaktiviert sein. Besonders brisant: Das Parlament schlägt ein Mindestalter von 16 Jahren für Social Media und KI-Begleiter vor – ohne elterliche Zustimmung.

Noch drastischer wird der Vorschlag einer persönlichen Haftung für Führungskräfte bei schweren Verstößen gegen Kinderschutzregeln. Das würde die Verantwortung direkt in die Chefetagen tragen.

Kommission nimmt Tech-Riesen ins Visier

Diese parlamentarische Offensive folgt direkt auf die Enforcement-Aktionen der Kommission vom 10. Oktober. Erstmals seit den umfassenden Kinderschutz-Leitlinien vom Juli verschickte Brüssel offizielle Informationsanfragen – ein klares Signal für verschärfte Kontrollen.

Snapchat muss erklären, wie es Nutzer unter 13 Jahren aussperrt und den Verkauf illegaler Waren an Minderjährige verhindert. YouTube steht wegen seiner Empfehlungssysteme unter Verdacht, nachdem Berichte über schädliche Inhalte für Kinder aufkamen.

Die App-Stores von Apple und Google müssen detailliert darlegen, wie sie verhindern, dass Minderjährige schädliche Apps herunterladen – etwa Glücksspiel-Apps oder Tools zur Erstellung nicht-einvernehmlicher sexualisierter Inhalte.
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Neue Maßstäbe für den Kinderschutz

Grundlage für diese Aktionen sind die “Leitlinien zum Schutz Minderjähriger”, die die Kommission am 14. Juli 2025 veröffentlichte. Obwohl rechtlich nicht bindend, dienen sie als Benchmark für die Compliance-Bewertung.

Die Empfehlungen sind weitreichend: Minderjährigen-Accounts sollen standardmäßig privat sein, Empfehlungssysteme müssen das Risiko schädlicher Inhalte reduzieren. Besonders relevant: Features, die zu exzessiver Nutzung beitragen – wie Streaks, ephemere Inhalte, Autoplay oder Push-Benachrichtigungen – sollen standardmäßig deaktiviert werden.

Die aktuellen Anfragen zeigen: Die Kommission nutzt diese Leitlinien bereits als Compliance-Checkliste.

Zeitenwende für Big Tech

Diese koordinierten Aktionen markieren einen Wendepunkt für den DSA. Die Implementierungsphase ist vorbei – jetzt beginnt die Phase der konsequenten Durchsetzung. Jahrelang kritisierten Experten, dass Plattformen ihre verletzlichsten Nutzer unzureichend schützen.

Mit potenziellen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes hat die EU nun die rechtlichen Mittel für drastische Änderungen. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in Großbritannien, wo die Aufsichtsbehörde Ofcom ebenfalls Kinderschutz-Versagen untersucht.

Die Botschaft aus Europa ist eindeutig: Selbstregulierung reicht nicht mehr. Plattformen müssen Sicherheit – besonders für Minderjährige – von Grund auf in ihre Dienste einbauen.

Milliardenstrafen im Anmarsch?

Die betroffenen Unternehmen müssen nun detaillierte Antworten liefern. Die Kommission wird bewerten, ob formelle Verfahren nötig sind. Bei Non-Compliance drohen Milliardenstrafen und rechtlich bindende Anordnungen zur Änderung von Plattform-Design und Sicherheitsprotokollen.

Der Druck aus dem Parlament wird die Kommission vermutlich zu einer noch aggressiveren Haltung ermutigen. Parallel baut die EU ihr Regulierungs-Arsenal weiter aus: Ein Beratungsgremium soll optimale Ansätze für Kindersicherheit in sozialen Medien entwickeln.

Bis 2026 plant die Kommission einen Prototyp für eine EU-weite Altersverifikation – möglicherweise verknüpft mit der Europäischen Digitalen Identitätsbrieftasche. Für Nutzer in der EU bedeuten diese Entwicklungen: Sicherheit und Grundrechte werden von Idealen zu durchsetzbaren Regeln.

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