Recht, Nichterreichbarkeit

EU plant Recht auf Nichterreichbarkeit: Deutschland unter Zugzwang

07.12.2025 - 12:20:12

Die Ära der ständigen Erreichbarkeit könnte bald enden. Mit ihrer “Quality Jobs Roadmap” läutet die EU-Kommission diese Woche eine neue Ära der Arbeitsmarktpolitik ein. Das geplante “Recht auf Nichterreichbarkeit” soll verbindlich werden – ob Unternehmen wollen oder nicht.

Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen seit Jahren. Doch nun steuert Brüssel mit Macht dagegen. Am vergangenen Donnerstag startete die EU-Kommission die Konsultation zum “Quality Jobs Act”. Bis 29. Januar 2026 können Sozialpartner Stellung nehmen. Das Ziel: Verbindliche Mindeststandards für Telearbeit und digitale Erreichbarkeit in allen Mitgliedsstaaten.

EU-Kommissarin Roxane Mînzatu macht die Dringlichkeit deutlich. Die “Always-on”-Kultur, verschärft durch KI-gesteuerte Management-Tools und Remote-Work, erfordere klare Regeln. Der geplante Rechtsakt soll sicherstellen, dass Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeiten nicht erreichbar sein müssen – ohne Sanktionen fürchten zu müssen.

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Die Arbeitgeberseite läuft Sturm. Die World Employment Confederation-Europe (WEC-Europe) warnt vor einer “One-Size-Fits-All”-Lösung, die der Realität moderner Arbeitswelten nicht gerecht werde.

“Ein pauschales Recht auf Nichterreichbarkeit ist nicht die Antwort”, lautet die klare Botschaft der Wirtschaftsverbände. Ihre Sorge: Ein rigider Rechtsrahmen könnte neue Gräben aufreißen. Zwischen jenen, die flexibel im Homeoffice arbeiten können, und jenen, die an feste Orte gebunden sind.

Statt EU-Richtlinien fordern sie maßgeschneiderte Lösungen auf Branchen- oder Unternehmensebene. Flexibilität sei für viele Arbeitnehmer – etwa Eltern – ein wertvolles Gut, das durch starre “Abschalt-Gesetze” gefährdet werden könnte.

Australien zeigt: Es funktioniert

Während Europa noch diskutiert, liefert Australien bereits Fakten. Seit August 2024 – also seit 16 Monaten – gilt dort ein umfassendes “Right to Disconnect”. Die Erfahrungen dienen nun als Blaupause für Europa.

Das australische Gesetz erlaubt Arbeitnehmern, Kontaktversuche nach Feierabend zu ignorieren. Die bisherige Bilanz überrascht selbst Skeptiker: Die befürchteten Produktivitätseinbrüche blieben aus. Stattdessen berichten Gewerkschaften von spürbarer Entlastung und weniger unbezahlten “Schatten-Überstunden”.

Der eigentliche Erfolg liegt woanders: Das Gesetz hat einen kulturellen Wandel angestoßen. Unternehmen mussten ihre Kommunikationsrichtlinien überarbeiten und Führungskräfte schulen.

Deutschland unter Druck

Für deutsche Unternehmen ist die Zeit des Abwartens vorbei. Die Kombination aus dem noch immer nicht vollständig umgesetzten EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung und dem kommenden “Quality Jobs Act” erhöht den Handlungsdruck massiv.

Arbeitsrechtler warnen: Viele deutsche Betriebsvereinbarungen zum mobilen Arbeiten könnten bereits veraltet sein, bevor sie richtig greifen. Die psychische Belastung durch ständige Erreichbarkeit ist gut dokumentiert. Studien zeigen seit Jahren einen klaren Zusammenhang zwischen entgrenzter Arbeit und steigenden Burnout-Raten.

Der “Quality Jobs Act” umfasst mehr als nur Erreichbarkeit:

  • Verbindliches Recht auf Nichterreichbarkeit nach Feierabend
  • Regeln für algorithmisches Management am Arbeitsplatz
  • Standards für die Überwachung und Steuerung von Arbeitsleistung durch Software
  • Schutz vor Sanktionen bei Nicht-Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit

2026 wird das Jahr der Entscheidung

Der Zeitplan ist straff. Nach Ende der Konsultationsphase im Januar 2026 folgt voraussichtlich ein konkreter Gesetzesvorschlag. Scheitern die Verhandlungen mit den Sozialpartnern, wird die Kommission einen legislativen Vorschlag vorlegen – spätestens Ende 2026.

HR-Abteilungen sollten bereits jetzt handeln. Technische Lösungen wie E-Mail-Server, die Nachrichten nach Feierabend zurückhalten, werden von “Nice-to-have” zu Compliance-Pflicht. Das “Recht auf Nichterreichbarkeit” wandelt sich von einer theoretischen Forderung zur regulatorischen Realität.

Die Work-Life-Balance in Europa steht vor einer Neuordnung. Bleibt die Frage: Wird Deutschland die EU-Vorgaben abwarten oder eigene Standards setzen?

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