EU-Datenschützer, Tech-Konzerne

EU-Datenschützer gegen Tech-Konzerne: Kampf um KI und Einwilligung

07.12.2025 - 16:31:12

Europäische Datenschutz- und Wettbewerbsbehörden lehnen neue Cookie-Regeln ab und eröffnen ein Kartellverfahren gegen Meta wegen KI-Integration in WhatsApp.

Der Jahreswechsel bringt die schärfste Konfrontation zwischen europäischen Regulierern und Silicon Valley seit Einführung der DSGVO. Allein in den letzten 48 Stunden haben Datenschutzbehörden und Kartellwächter eine beispiellose Offensive gestartet – mit weitreichenden Folgen für Verbraucher und Unternehmen.

Am Freitag verpasste der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) den Reformplänen der EU-Kommission eine schallende Ohrfeige. Gleichzeitig eröffneten Wettbewerbshüter eine Untersuchung gegen Meta wegen der Integration von KI-Funktionen in WhatsApp. Die Botschaft ist unmissverständlich: Die Ära der Cookie-Banner geht zu Ende, doch was danach kommt, könnte noch konfliktreicher werden.

„Digitales Omnibus-Paket” sorgt für Alarmstimmung

Der Konflikt eskalierte am Freitag, als EDSA und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) eine gemeinsame Warnung zum geplanten „Digital Omnibus”-Paket der Kommission veröffentlichten. Die Brüsseler Pläne sehen vor, die verhassten Cookie-Banner durch zentralisierte Browser-Einstellungen zu ersetzen und dabei die Definition „personenbezogener Daten” neu zu fassen.

Was nach Vereinfachung klingt, ist aus Sicht der Datenschützer ein gefährlicher Rückschritt. Die Behörden werfen der Kommission vor, über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinauszuschießen und damit Millionen Bürgern den Schutz zu entziehen. „Vereinfachung darf nicht auf Kosten des Schutzes gehen”, heißt es in der Stellungnahme – eine klare Kampfansage für die legislative Auseinandersetzung Anfang 2026.

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Viele Unternehmen unterschätzen die praktischen Folgen der neuen EU-Regeln zu KI und Datenschutz. Wer KI-Features bündelt, Nutzerdaten anders klassifiziert oder die erforderlichen Dokumentationen vernachlässigt, riskiert hohe Sanktionen und Marktzugangsprobleme. Der kostenlose Umsetzungsleitfaden zur EU-KI-Verordnung erklärt übersichtlich Risikoklassen, Kennzeichnungspflichten, Dokumentationsanforderungen und Übergangsfristen – inklusive sofort umsetzbarer Checklisten für Entwickler und Compliance-Teams. Kostenlosen KI-Leitfaden herunterladen

Für Unternehmen bedeutet das eine prekäre Lage: Das bestehende Cookie-System wird von allen Seiten kritisiert, doch der geplante Ersatz ist rechtlich hochumstritten. Eine Pattsituation mit ungewissem Ausgang.

Meta im Visier: Kartellverfahren wegen KI-Bündelung

Während in Brüssel über künftige Regeln gestritten wird, schreiten die Vollstrecker bei aktuellen Verstößen zur Tat. Am Donnerstag leiteten europäische Regulierer ein Kartellverfahren gegen Meta ein – Anlass sind das umstrittene „Zahlen oder Zustimmen”-Modell und die Verknüpfung von KI-Features mit WhatsApp.

Im Zentrum der Untersuchung steht der Vorwurf, Meta verhindere durch die Integration eigener Chatbots systematisch den Marktzugang für konkurrierende KI-Assistenten. Nutzer werden faktisch in Metas KI-Ökosystem eingesperrt. Hinzu kommt die Kritik am Werbemodell: Wer nicht zahlt, muss umfassendes Tracking akzeptieren – eine Zwangswahl, die Verbraucherschützer als Verstoß gegen das Prinzip der „freiwilligen Einwilligung” bewerten.

„Die Entscheidung der EU, mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch Meta zu untersuchen, ist ein wichtiger Schritt”, betonte Sébastien Pant von der Europäischen Verbraucherorganisation am Donnerstag. Bei einem Schuldspruch drohen Geldbußen bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Der Digital Markets Act (DMA) zeigt erstmals seine Zähne.

Verschlüsselung für das Quantenzeitalter

Abseits der Gerichtssäle rüstet sich die Privacy-Tech-Branche für die technologische Zukunft. Am Freitag kündigte der Messenger Session ein umfassendes Protokoll-Update an, das Nutzerdaten gegen kommende Quantencomputer absichern soll.

Die Neuerungen umfassen „Perfect Forward Secrecy” – selbst bei kompromittierten Schlüsseln bleiben alte Nachrichten geschützt – sowie den MLKM-Standard für post-quantensichere Verschlüsselung, empfohlen vom US-amerikanischen Normungsinstitut NIST. Die Branche bereitet sich auf den „Q-Day” vor, jenen theoretischen Zeitpunkt, an dem Quantencomputer heutige Verschlüsselungsverfahren knacken können.

Während Juristen über rechtliche Einwilligungen streiten, errichten Ingenieure technische Mauern, die keine Gesetzgebung durchbrechen kann. Ein Wettrüsten auf zwei Ebenen.

Das Vakuum nach der Privacy Sandbox

Diese Entwicklungen sind die direkte Folge von Googles großem Kurswechsel im Oktober 2025. Nach jahrelangen Verzögerungen begrub der Konzern seine „Privacy Sandbox”-Initiative endgültig – und hinterließ die Branche ohne einheitlichen Ersatz für Third-Party-Cookies.

In das entstandene Vakuum stoßen nun drei konkurrierende Lager:
* Big Tech setzt auf „Zahlen oder Zustimmen”-Modelle zur Monetarisierung von Privatsphäre
* Regulierer favorisieren browserbasierte Signale als Cookie-Banner-Ersatz
* Privacy Tech entwickelt kryptografische Lösungen, die Vertrauen überflüssig machen

Diese Zersplitterung lässt keine Abwartehaltung mehr zu. Wie das Meta-Verfahren zeigt, verhängen Aufsichtsbehörden lieber Strafen und klären Regeln später. Unternehmen, die 2026 mit neuen KI-Features starten, sollten äußerste Vorsicht walten lassen.

Ausblick: Konfrontation statt Konsens

Im ersten Quartal 2026 dürfte der Konflikt zwischen EDSA und EU-Kommission weiter eskalieren. Das „Digital Omnibus”-Paket wird erhebliche Überarbeitungen durchlaufen müssen, bevor es verabschiedet werden kann. Datenschutzorganisationen mobilisieren bereits gegen jede Aufweichung der DSGVO-Definitionen.

Für die Wirtschaft lautet die Kernbotschaft: KI-Integration ist zum Hochrisiko-Thema geworden. Das Meta-Verfahren signalisiert, dass „gebündelte” KI-Assistenten ins Fadenkreuz von Kartell- und Datenschutzbehörden geraten. Künstliche Intelligenz muss optional und klar vom Kernangebot getrennt sein – alles andere ist rechtlich toxisch.

Das „Zahlen oder Zustimmen”-Modell bleibt im juristischen Schwebezustand. Bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung ist es eine riskante Strategie für Verlage und Plattformen. Der Trend zeigt klar in Richtung kontextbasierte Werbung – Targeting nach Inhalten statt Nutzerdaten. In diesem Regulierungssturm ist es der einzige wirklich sichere Hafen.

Eines ist sicher: Der Kampf um die digitale Privatsphäre ist keine akademische Debatte mehr, sondern ein knallharter Wirtschaftskrieg mit Milliarden-Strafen als Waffen.

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