Elektronische, Zeiterfassung

Elektronische Zeiterfassung: Deutschland macht 2025 endlich ernst

18.11.2025 - 18:09:12

Die Ära der Stundenzettel geht zu Ende. Nach Jahren juristischer Debatten steht die verpflichtende elektronische Arbeitszeiterfassung nun unmittelbar bevor – der neue Koalitionsvertrag macht sie zur Priorität. Während Deutschlands Unternehmen seit dem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2022 theoretisch bereits zur Zeiterfassung verpflichtet sind, fehlten bislang konkrete Vorgaben zur digitalen Umsetzung. Das soll sich nun ändern. Betroffen sind praktisch alle Arbeitgeber: Statt Excel-Listen und handschriftlichen Notizen werden künftig elektronische Systeme zur Pflicht. Die Botschaft ist klar – Deutschland holt nach, was in vielen anderen EU-Ländern längst Standard ist.

Die Geschichte beginnt 2019 in Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof entschied damals, dass EU-Mitgliedstaaten ihre Unternehmen zu einem „objektiven, verlässlichen und zugänglichen System” der Arbeitszeiterfassung verpflichten müssen. Das Ziel: besserer Schutz vor Ausbeutung, Einhaltung von Höchstarbeitszeiten und ausreichende Ruhepausen.

Deutschland ließ sich Zeit mit der Umsetzung. Erst im September 2022 griff das Bundesarbeitsgericht durch – mit einem Paukenschlag. Die Richter erklärten: Die Pflicht zur systematischen Zeiterfassung gilt bereits jetzt, ohne Übergangsfrist. Grundlage ist das deutsche Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitgeber zur Kontrolle der Arbeitszeiten verpflichtet.

Seitdem herrscht Unsicherheit. Was genau müssen Unternehmen erfassen? Reichen handschriftliche Listen? Oder muss es elektronisch sein? Diese Fragen blieben ungeklärt – bis jetzt.

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Der Koalitionsvertrag bringt Bewegung

Ein Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums aus April 2023 verstaubte in Schubladen. Doch der neue Koalitionsvertrag für 2025 macht unmissverständlich klar: Die elektronische Zeiterfassung kommt. Und zwar „unbürokratisch”, wie es heißt.

Die Kernforderungen sind eindeutig: Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit müssen elektronisch dokumentiert werden. Die praktische Erfassung kann zwar an Mitarbeiter delegiert werden – etwa per App auf dem Smartphone oder am Terminal. Die rechtliche Verantwortung für korrekte Aufzeichnungen bleibt jedoch beim Arbeitgeber hängen.

Ein klarer Zeitplan fehlt noch. Experten rechnen mit einer gesetzlichen Verabschiedung Ende 2025 oder Anfang 2026. Die Devise lautet also: Unternehmen sollten nicht länger warten.

Kleine Betriebe atmen auf – große bekommen Zeit

Um die wirtschaftliche Belastung abzufedern, plant der Gesetzgeber Erleichterungen. Kleinstbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden bleiben von der elektronischen Pflicht verschont. Hier sollen weiterhin manuelle Aufzeichnungen genügen – ein Zugeständnis an die Realität vieler Handwerksbetriebe und kleiner Läden.

Für größere Unternehmen sind großzügige Übergangsfristen vorgesehen: zwischen zwei und fünf Jahren, je nach Betriebsgröße. Genug Zeit also, um digitale Lösungen zu implementieren und Mitarbeiter zu schulen.

Zusätzliche Flexibilität bieten Tarifverträge. Sozialpartner können branchenspezifische Regelungen aushandeln, die von der strengen elektronischen Form abweichen – sofern sie gleichwertige Kontrollen ermöglichen. Ein wichtiges Ventil für Branchen mit besonderen Arbeitsmodellen.

Vertrauensarbeitszeit: Tot oder lebendig?

Die wohl größte Sorge vieler Unternehmen lautet: Bedeutet die strikte Zeiterfassung das Ende der Vertrauensarbeitszeit? Müssen hochqualifizierte Fachkräfte künftig stempeln wie Fabrikarbeiter?

Der Koalitionsvertrag versucht zu beruhigen. Flexible und ergebnisorientierte Arbeitsmodelle sollen explizit möglich bleiben. Die Bedingung: Auch hier müssen die gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten nachweisbar eingehalten werden.

In der Praxis heißt das: Vertrauensarbeitszeit darf es weiterhin geben, aber die Stunden müssen trotzdem erfasst werden. Die Verantwortung für die Aufzeichnung kann vollständig an den Arbeitnehmer übertragen werden – dieser tippt dann beispielsweise abends seine Arbeitszeit in eine App ein. Der Arbeitgeber muss lediglich stichprobenartig kontrollieren, dass keine Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz vorliegen.

Manche Experten sehen darin sogar eine Chance. Die Digitalisierung schaffe Transparenz über tatsächlich geleistete Überstunden. Mitarbeiter erhalten das Recht, ihre Daten einzusehen und Kopien zu verlangen. Unbezahlte Mehrarbeit würde damit sichtbarer.

Mehr Flexibilität durch wöchentliche Grenzen?

Parallel zur Zeiterfassungs-Debatte läuft eine weitere Diskussion: Sollte die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden (mit Verlängerung auf zehn Stunden) durch eine wöchentliche Grenze ersetzt werden? Das würde beispielsweise Vier-Tage-Wochen mit längeren Arbeitstagen erleichtern, ohne ständige Ausnahmegenehmigungen.

Einzelne politische Stimmen bringen diesen Vorschlag ins Spiel – ob er Eingang in die finale Gesetzesversion findet, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Arbeitswelt wandelt sich, und starre Regelungen aus dem Industriezeitalter passen nicht mehr zu digitalisierten Dienstleistungsberufen.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Warten ist keine Option mehr. Die grundsätzliche Aufzeichnungspflicht besteht bereits seit 2022 – wer sie ignoriert, riskiert schon heute Bußgelder. Das künftige Gesetz wird lediglich die elektronische Form konkretisieren.

Unternehmen sollten daher jetzt handeln:

  • Marktanalyse: Welche digitalen Zeiterfassungssysteme passen zum eigenen Betrieb? Cloud-Lösungen, Apps, Terminals?
  • Testphase: Viele Anbieter ermöglichen kostenlose Pilotprojekte in einzelnen Abteilungen
  • Mitarbeiter einbinden: Frühe Kommunikation verhindert Widerstände
  • Datenschutz klären: Betriebsräte müssen bei der Einführung elektronischer Systeme mitbestimmen

Die verbleibenden Monate bis zur Gesetzesverabschiedung sind keine Verschnaufpause, sondern eine letzte Gelegenheit zur strategischen Vorbereitung. Wer jetzt investiert, vermeidet später hektische Notlösungen unter Zeitdruck.

Deutschland macht ernst mit der Arbeitszeiterfassung. Nach Jahren des Zögerns steht das Land kurz vor einem Paradigmenwechsel – einer, der längst überfällig war.

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