Digital Omnibus: EU startet Regulierungsoffensive für Digitalwirtschaft
21.11.2025 - 08:10:12Das Digital Omnibus-Paket der EU-Kommission verspricht einfachere Regeln für KI-Entwicklung, weniger Cookie-Banner und effizientere Cybersecurity-Meldungen bei geteilter öffentlicher Resonanz.
Die Europäische Kommission will die Bürokratie für Tech-Unternehmen drastisch abbauen. Das am Mittwoch vorgestellte „Digital Omnibus”-Paket verspricht einfachere Regeln, schnellere Innovation – und spaltet bereits die Gemüter.
Jahrelang galt die EU als Regulierungsweltmeister in digitalen Fragen. Datenschutz-Grundverordnung, KI-Verordnung, Cybersicherheitsregeln: Brüssel setzte Standards, doch viele Unternehmen stöhnten unter der Last überlappender Vorschriften. Jetzt kommt die Kehrtwende.
Mit dem Digital Omnibus will die Kommission aufräumen – und das radikal. „Wir schaffen Raum für Innovation, ohne unsere Grundrechte zu gefährden”, versprach die zuständige Vizepräsidentin Henna Virkkunen bei der Präsentation in Brüssel. Die Frage ist nur: Gelingt dieser Balanceakt wirklich?
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DSGVO wird KI-freundlicher – zu freundlich?
Das Herzstück der Reform betrifft die Datenschutz-Grundverordnung. Die Kommission will das Training von KI-Modellen ausdrücklich als „berechtigtes Interesse” anerkennen. Europäische Entwickler sollen damit endlich die rechtliche Klarheit erhalten, die amerikanische und chinesische Konkurrenten längst haben.
Zusätzlich wird die Definition „personenbezogener Daten” angepasst. Künftig gelten Informationen nicht mehr als personenbezogen, wenn ihre Zuordnung zu Einzelpersonen nur mit „unverhältnismäßigem Aufwand” möglich ist. Das Ziel: mehr Datenaustausch für Forschung und Innovation.
Auch die nervigen Cookie-Banner sollen Geschichte werden. Statt ständiger Pop-ups plant Brüssel zentrale Einwilligungssysteme über Browser oder Betriebssysteme. Eine Erleichterung für Nutzer und Webseitenbetreiber gleichermaßen.
Doch Datenschützer schlagen Alarm. Max Schrems, bekannt für seine Klagen gegen Facebook und Google, warnt: „KI-Training als Standard-Rechtfertigung zu deklarieren, ist eine gefährliche Gratwanderung. Die Beweislast verschiebt sich von den Unternehmen zu den Nutzern.”
Einmal melden statt dreimal: Cybersecurity wird effizienter
Ein weiterer Schmerzpunkt verschwindet: die Mehrfachmeldepflicht bei Datenpannen. Bisher mussten Firmen denselben Vorfall oft parallel an verschiedene Behörden melden – unter DSGVO, NIS2 und DORA. Das kostet Zeit, Geld und Nerven.
Das neue „Single-Entry-Point”-System setzt auf das Prinzip „einmal berichten, überall gültig”. Eine zentrale EU-Plattform soll alle Meldepflichten auf einen Schlag erfüllen. Milliardeneinsparungen bei den Compliance-Kosten sind das Versprechen.
Auch die KI-Verordnung erhält Aufschub: Unternehmen in sensiblen Bereichen wie Gesundheit oder Automobil bekommen bis zu zwölf Monate mehr Zeit für die Umsetzung. Die technischen Standards sind schlicht noch nicht fertig. Zudem übernimmt das European AI Office die zentrale Aufsicht über Allzweck-KI-Modelle – Schluss mit dem Flickenteppich nationaler Behörden.
Wirtschaft jubelt, Zivilgesellschaft tobt
Die Reaktionen könnten unterschiedlicher kaum sein. Wirtschaftsverbände sprechen von einem „längst überfälligen Signal”. Ein Sprecher eines großen EU-Tech-Bündnisses betonte am Donnerstag: „Die Vereinfachung spart Milliarden und macht Europa endlich wettbewerbsfähig.”
Auf der anderen Seite formiert sich massiver Widerstand. Organisationen wie EDRi und noyb geißeln das Paket als „Deregulierungsagenda”, die den Datenschutz aushöhle. Auch im Europaparlament zeichnet sich ein harter Kampf ab: Während die konservative EVP-Fraktion die Wettbewerbsorientierung begrüßt, kündigen Grüne und Sozialdemokraten erbitterten Widerstand gegen jede Aufweichung von Verbraucherrechten an.
Zeitenwende in Brüssel?
Das Digital Omnibus-Paket durchläuft nun das europäische Gesetzgebungsverfahren. Angesichts des Umfangs – mehrere zentrale Verordnungen werden parallel geändert – dürften die Debatten intensiv werden.
Läuft alles nach Plan der Kommission, könnten die neuen Regeln Ende 2026 in Kraft treten. Dann wäre eine bemerkenswerte Trendwende vollzogen: Brüssel wechselt von der Phase aggressiver Regulierung in eine Ära der Umsetzung, Kohärenz und Wachstumsorientierung.
Ob dieser Strategiewechsel gelingt, ohne den Ruf Europas als Vorreiter beim digitalen Grundrechtsschutz zu beschädigen? Die kommenden Monate werden zeigen, welche Vision sich durchsetzt: mehr Freiheit für Innovation oder mehr Schutz für Privatsphäre. Wahrscheinlich wird es auf einen Kompromiss hinauslaufen – wie so oft in Brüssel.
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