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Digital Omnibus: EU entlastet Mittelstand bei Cybersecurity-Pflichten

23.11.2025 - 23:50:12

Stichtag für den deutschen Mittelstand: Während das NIS2-Umsetzungsgesetz gerade den Bundestag passiert hat, schiebt die EU bereits die nächste Erleichterung nach. Das sogenannte „Digital Omnibus”-Paket soll den Meldewahnsinn bei Cyberangriffen beenden – und kommt genau zur richtigen Zeit. Denn kleine und mittlere Unternehmen stehen unter massivem Druck: Die Angriffe nehmen zu, die Vorschriften werden komplexer. Kann die neue EU-Strategie wirklich helfen?

Die vergangene Woche brachte gleich drei entscheidende Entwicklungen für Unternehmen in Deutschland und Europa: Die Europäische Kommission präsentierte ihren Digital-Omnibus-Vorschlag, die EU-Cybersicherheitsagentur ENISA erhielt erweiterte Befugnisse, und in Berlin wurde das wegweisende NIS2-Umsetzungsgesetz verabschiedet. Für KMU bedeutet das: weniger Bürokratie bei der Meldung von Vorfällen – aber höhere Sicherheitsstandards im Alltag.

Am 19. November veröffentlichte die Kommission ihren Vorschlag, der die digitale Regulierungsflut eindämmen soll. Das Kernproblem: Bislang löst ein einziger Cyberangriff oft drei separate Meldepflichten aus. Unternehmen müssen parallel unter NIS2 (Sicherheit), DSGVO (Datenschutz) und branchenspezifischen Regeln wie DORA (Finanzsektor) berichten – mit unterschiedlichen Fristen, Formularen und Ansprechpartnern.

Die Lösung des Omnibus-Pakets: ein zentraler EU-Meldekanal. Das Prinzip „einmal melden, mehrfach teilen” erlaubt es Firmen künftig, Cybervorfälle über eine einzige Schnittstelle zu kommunizieren. Die Verteilung an zuständige Behörden übernimmt dann ENISA automatisch im Hintergrund.

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Für CISOs und Compliance-Teams dürfte das die praktisch wichtigste Änderung werden”, analysierten Rechtsexperten der Kanzlei CMS Law-Now am 20. November. Der Vorschlag sieht außerdem einheitliche Meldefristen vor – möglicherweise 96 Stunden als Standard – und harmonisierte Vorlagen für Datenschutz-Folgenabschätzungen.

Für den Mittelstand, der selten über eigene Rechtsabteilungen verfügt, bedeutet diese Konsolidierung eine massive Entlastung. Ressourcen, die bisher in Papierkram flossen, können endlich in aktive Abwehrmaßnahmen investiert werden.

ENISA wird zur zentralen Schwachstellen-Autorität

Nur zwei Tage nach dem Omnibus-Vorschlag untermauerte ENISA ihre neue Schlüsselrolle: Am 21. November wurde die Agentur offiziell als „CVE Program Root” ernannt. Damit erhält sie die Befugnis, eigenständig CVE-Kennungen zu vergeben und Schwachstellen-Offenlegungen europaweit zu koordinieren.

Die Europäische Schwachstellen-Datenbank, eine Kernkomponente der NIS2-Richtlinie, ist seit dieser Woche voll funktionsfähig. Sie gibt allen Mitgliedstaaten Zugriff auf eine gemeinsame Wissensbasis zur Verwaltung von Sicherheitslücken. Parallel arbeitet ENISA an der Einheitlichen Meldeplattform, die der Cyber Resilience Act vorschreibt – technisches Rückgrat des geplanten „Einmal-Melden”-Systems.

Was bringt das konkret? KMU in Technologie- und Produktionslieferketten bekommen einen klareren Kanal für handlungsrelevante Bedrohungsinformationen. Statt ein Dutzend nationale Warnmeldungen zu überwachen, gibt es künftig einen zentralen Strom an Schwachstellendaten – unverzichtbar für die gesetzlich geforderten „Security-by-Design”-Standards.

Warum Cyberkriminelle jetzt gezielt den Mittelstand angreifen

Die Dringlichkeit dieser Regulierungsreformen wird durch aktuelle Bedrohungsberichte überdeutlich. Am 20. November veröffentlichte Daten zeigen: KMU sind 2025 zum bevorzugten Ziel geworden. Die Ära der „Big Game Hunting”-Angriffe auf Konzerne ist vorbei.

Drei Faktoren treiben diese Verschiebung an, wie eine am 17. November erschienene Analyse belegt:

KI-gestützte Phishing-Kampagnen: Generative KI ermöglicht täuschend echte E-Mails, die Tonfall und Arbeitsabläufe perfekt imitieren. Klassische Awareness-Schulungen laufen ins Leere.

Lieferketten-Abhängigkeiten: Kleine Zulieferer werden gezielt als Einfallstore zu großen Unternehmensnetzwerken missbraucht. Die digitale Vernetzung macht aus jedem Mittelständler eine potenzielle Schwachstelle im System.

Ransomware-as-a-Service: Die Einstiegshürde für Cyberkriminalität ist drastisch gesunken. Automatisierte Toolkits erlauben Angriffe auf Tausende kleine Firmen gleichzeitig.

„Die Cyberkriminalität tritt 2025 in eine neue Ära ein”, warnt der Bericht. Das Hauptrisiko für kleinere Firmen ist nicht mehr der Datendiebstahl – sondern der operative Stillstand. Einfache Antivirenprogramme reichen längst nicht mehr aus. Die Governance- und Risikomanagement-Anforderungen von NIS2 sind keine rechtlichen Formalitäten mehr, sondern Überlebensfragen.

Was das deutsche NIS2-Gesetz jetzt konkret bedeutet

Für deutsche Unternehmen kommen die EU-Entwicklungen genau zum richtigen Zeitpunkt. Am 13. November verabschiedete der Bundestag das NIS2-Umsetzungsgesetz – und die Rechtsbranche arbeitet seither auf Hochtouren an der Auslegung.

Die Gesetzgebung weitet den Kreis beaufsichtigter Firmen massiv aus. Laut einer Mandanteninformation der Kanzlei Bird & Bird vom 19. November unterliegt „erstmals ein großer Teil des Mittelstands der Aufsicht durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik”. Unternehmen, die in kritischen Sektoren wie Energie, Transport oder digitaler Infrastruktur als „mittlere Größe” gelten, müssen nun umfassende Risikomanagement-Maßnahmen und Meldekanäle implementieren.

Besonders brisant: Das Gesetz führt persönliche Haftung für Geschäftsführer ein. Vorstände und Geschäftsführer müssen Cybersicherheitsmaßnahmen künftig genehmigen und überwachen. Versäumnisse können Bußgelder und Haftungsrisiken nach sich ziehen.

Nach der Bundestags-Abstimmung steht noch die Zustimmung des Bundesrats aus – Inkrafttreten wird Anfang 2026 erwartet. Eine Übergangsfrist gibt es nicht. Deutsche KMU sollten die verbleibenden Wochen bis Jahresende nutzen, um ihre Betroffenheit zu prüfen und den eigenen Sicherheitsreifegrad zu bewerten.

Die nächsten Schritte bis Frühjahr 2026

In den kommenden Wochen wird das Digital-Omnibus-Paket den EU-Gesetzgebungsprozess durchlaufen. Die Hoffnung: eine zügige Verabschiedung, bevor die volle Durchsetzungskraft von NIS2 greift und den Compliance-Engpass weiter verschärft.

Die Botschaft dieser ereignisreichen Woche ist unmissverständlich: Die EU senkt die administrative Hürde für Compliance – aber die operativen Sicherheitsanforderungen steigen steil an. Unternehmen sollten sofort die neuen ENISA-Leitlinien nutzen und sich auf die einheitlichen Meldemechanismen vorbereiten.

Während KI-gesteuerte Angriffe das Bedrohungsbild revolutionieren, wird 2026 die Integration von Rechtskonformität und technischer Abwehr zur zentralen Herausforderung. Die neuen EU-Werkzeuge bieten dafür die Grundlage – nutzen müssen sie die Unternehmen selbst.

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