DGUV, Vorschrift

DGUV Vorschrift 2: VBG führt digitale Arbeitsschutzberatung ein

03.12.2025 - 03:10:12

Die VBG modernisiert ab 1. Dezember den Arbeitsschutz für 1,6 Millionen Mitgliedsbetriebe – mit weitreichenden Folgen für die tägliche Praxis. Remote-Beratung wird erlaubt, Kleinbetriebe erhalten mehr Spielraum. Doch die neuen Freiheiten kommen mit verschärften Qualitätsvorgaben.

Ein längst überfälliger Schritt in die digitale Realität? Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft hat seit dieser Woche die novellierte DGUV Vorschrift 2 in Kraft gesetzt. Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit dürfen künftig bis zu einem Drittel ihrer Grundbetreuung remote erbringen – eine Revolution für einen Bereich, der jahrzehntelang auf Präsenzpflicht setzte.

„Die neue Vorschrift passt den Arbeitsschutz endlich an moderne, digitalisierte Arbeitsumgebungen an”, betonte die VBG in ihrer Verlautbarung. Doch sie schob unmittelbar nach: „Remote-Beratung darf die Vor-Ort-Präsenz nicht vollständig ersetzen.” Eine klare Ansage an alle, die bereits von reinen Videosprechstunden träumten.

Die Neuregelung erlaubt je nach Gefährdungsgruppe und Betriebsmodell 30 bis maximal 50 Prozent digitale Beratung. Videokonferenzen, digitale Gefährdungsbeurteilungen, Online-Schulungen – all das zählt jetzt zur regulären Betreuungszeit. Besonders für Betriebe in ländlichen Regionen oder mit dezentralen Teams könnte das den entscheidenden Unterschied machen.

Anzeige

Passend zum Thema Gefährdungsbeurteilung: Gerade bei hybriden Betreuungskonzepten werden formale Fehler in der GBU oft erst bei Prüfungen entdeckt. Ein kostenloser Praxis-Download liefert fertige Vorlagen, Checklisten und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der Sie digitale und vor-Ort-Maßnahmen revisionssicher dokumentieren. Ideal für Sifas, Sicherheitsverantwortliche und KMU, die ihre Arbeitsschutz-Dokumentation schnell rechtssicher aufstellen wollen. Kostenlose GBU-Vorlagen & Checklisten herunterladen

Die wichtigsten Compliance-Vorgaben:

  • Erstbegehung bleibt Pflicht: Rein virtueller Arbeitsschutz ist ausgeschlossen. Sicherheitsfachkräfte müssen den Betrieb zunächst persönlich kennenlernen.
  • Dokumentationspflicht: Unternehmen müssen lückenlos nachweisen, welche Leistungen digital erbracht wurden – für spätere Prüfungen.
  • Obergrenze beachten: Je nach Gefährdungspotenzial gilt die 30- oder 50-Prozent-Marke als absolutes Maximum.

Die hybride Lösung soll Fachkräfte entlasten, ohne dass die Sicherheitsstandards leiden. Ob das gelingt, wird sich in der Praxis zeigen müssen.

Kleinbetriebe profitieren: Schwelle steigt auf 20 Mitarbeitende

Bürokratieabbau konkret: Die VBG hebt die Grenze für die sogenannte „Alternative bedarfsorientierte Betreuung” von bisher 10 auf 20 Beschäftigte an. Tausende kleine Dienstleister, Agenturen und Beratungsfirmen können nun das Unternehmermodell wählen.

Was bedeutet das konkret? Inhaber von Betrieben mit 11 bis 20 Mitarbeitenden dürfen sich selbst zum Sicherheitsbeauftragten ausbilden lassen und externe Experten nur bei Bedarf hinzuziehen. Statt fester Betreuungsstunden zahlen sie nach tatsächlichem Aufwand – ein erheblicher Kostenvorteil für Betriebe mit niedrigem Gefährdungsprofil.

Strategische Vorteile für Betriebe:

  • Wahlfreiheit: Unternehmen zwischen 11 und 20 Beschäftigten entscheiden selbst, ob externe Regelbetreuung oder Eigenverantwortung besser passt.
  • Kostenersparnis: Agenturen und Büros mit Schreibtisch-Tätigkeiten sparen sich starre Betreuungskontingente.
  • Kompetenzzentren: Die VBG baut ihre telefonische und digitale Beratung für teilnehmende Unternehmer massiv aus.

Doch Vorsicht: Wer das Unternehmermodell wählt, übernimmt auch die volle Verantwortung. Bei Unfällen oder Mängeln gibt es keinen externen Dienstleister, auf den man zeigen kann.

Qualitätssicherung: Fortbildungen werden Pflicht

Die neue Flexibilität hat ihren Preis – in Form verschärfter Qualitätskontrollen. Ein zentraler Kritikpunkt am alten System war die fehlende Transparenz bei der Weiterbildung von Sicherheitsfachkräften.

Künftig müssen alle Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ihre Fortbildungen explizit im Jahresbericht dokumentieren. Arbeitgeber erhalten damit erstmals einen klaren Nachweis, ob ihr Dienstleister fachlich auf dem neuesten Stand ist.

Neue Compliance-Anforderungen:

  • Fortbildungsnachweis: Externe Dienstleister müssen aktuelle Schulungen im Leistungsnachweis aufführen.
  • Erweiterte Qualifikationswege: Der Zugang zur Sifa-Ausbildung öffnet sich für Arbeitspsychologen und Biologen – sofern sie die erforderliche Sicherheitstechnik nachholen.

Laut dem Branchenportal Sifa-flex sollen diese Maßnahmen verhindern, dass „Arbeitsschutz zur Billigware verkommt”. Die Balance zwischen digitaler Flexibilität und professionellem Standard wird zur Nagelprobe für die Reform.

Was Betriebe jetzt tun müssen

Mit der VBG-Umsetzung steht die drittgrößte Berufsgenossenschaft Deutschlands nun auf der neuen Regelung. Die BG Rohstoffe und chemische Industrie folgt zum 1. Januar 2026, weitere Träger dürften nachziehen.

Unmittelbarer Handlungsbedarf für VBG-Mitgliedsbetriebe:

  1. Verträge prüfen: Bestehende Vereinbarungen mit Sicherheitsdienstleistern basieren oft auf alten Einsatzzeit-Berechnungen. Die neuen WZ-Code-Klassifizierungen können erhebliche Anpassungen erfordern.

  2. Schwellenprüfung: Betriebe mit 11 bis 20 Beschäftigten sollten das Unternehmermodell durchrechnen – potenzielle Einsparungen könnten beträchtlich sein.

  3. Dokumentation aktualisieren: Der Jahresbericht 2025 muss erstmals die neuen Fortbildungsnachweise des Dienstleisters enthalten.

Kein Wunder also, dass Arbeitsschutz-Berater derzeit Hochkonjunktur haben. Die Umstellung erfordert nicht nur neue Verträge, sondern auch ein grundsätzliches Umdenken: Arbeitsschutz wird hybrider, individueller – und kontrollierbarer.

Ausblick: Kommt die flächendeckende Reform?

Die VBG-Umsetzung gilt als Testballon für den gesamten Dienstleistungssektor. Mit über 1,6 Millionen Mitgliedsbetrieben – vor allem aus Büro- und Verwaltungsbereichen – ist sie der ideale Prüfstand für digitalen Arbeitsschutz.

Besonders die Trennung von knapper Vorschrift und ausführlicher DGUV Regel 100-002 erntet Lob. „Endlich können auch Nicht-Juristen die Kernanforderungen verstehen”, heißt es aus Expertenkreisen. Die Details stehen im separaten Regelwerk – ein didaktischer Kniff, der die Compliance-Quote bei KMU steigern könnte.

Doch die wahre Bewährungsprobe kommt erst: Ab 2026 werden Prüfer genau hinschauen, ob die digitalen Quoten eingehalten werden und ob die obligatorischen Erstbegehungen wirklich stattfinden. Wer jetzt schludert, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern bei Unfällen auch strafrechtliche Konsequenzen.

Wird die Reform zum Standard für alle Branchen? Die nächsten Monate werden zeigen, ob sich der hybride Ansatz bewährt – oder ob Nachbesserungen nötig werden.

Anzeige

PS: Übrigens – mit den neuen digitalen Quoten steigt die Prüfungsdichte. Wer seine Gefährdungsbeurteilungen nicht revisionssicher ablegt, riskiert Sanktionen bei Betriebsprüfungen. Der Gratis-Leitfaden erläutert genau, welche Angaben Aufsichtsbehörden sehen wollen, nennt typische Prüfungsfehler und liefert sofort einsetzbare Muster für Büro- und Verwaltungsbetriebe. Gratis-Leitfaden zur Gefährdungsbeurteilung sichern

@ boerse-global.de