Deutscher, Anwaltverein

Deutscher Anwaltverein warnt vor Aushöhlung der Anwaltsverschwiegenheit

23.12.2025 - 14:01:12

Der DAV kritisiert, dass neue Gesetze Anwälte in Interessenkonflikte zwingen und die Vertrauensbasis des Rechtsstaats gefährden. Besonders Syndikus-Anwälte sind betroffen.

Der Deutsche Anwaltverein schlägt Alarm: Das Berufsgeheimnis von Anwälten wird durch neue Gesetze systematisch ausgehöhlt. Die Konvergenz von Hinweisgeberschutz, Geldwäschebekämpfung und Steuerpflichten gefährdet die Vertrauensbasis des Rechtsstaats.

Schleichende Erosion durch “Salami-Taktik”

DAV-Vorstandsmitglied Dr. Clarissa Freundorfer sprach am Dienstag von einer besorgniserregenden Entwicklung. Das Berufsgeheimnis werde durch eine “Salami-Taktik” aus vielen Einzelregelungen Stück für Stück abgetragen. Jedes Gesetz für sich – wie das Hinweisgeberschutzgesetz oder verschärfte Meldeauflagen zur Geldwäschebekämpfung – sei mit Transparenz und Kriminalitätsbekämpfung begründet. In der Summe entstehe jedoch ein prekäres Umfeld für anwaltliche Beratung.

“Der Schutz des Anwaltsverhältnisses ist kein Privileg des Anwalts, sondern ein Recht des Bürgers”, betont der DAV. Wenn Mandanten nicht darauf vertrauen könnten, dass ihre Mitteilungen geheim bleiben, sei die Wirksamkeit der Rechtsvertretung – und damit der Rechtsstaat selbst – fundamental gefährdet. Das aktuelle Recht zwinge Anwälte in einen Interessenkonflikt: Sie würden zu verlängerten Armen staatlicher Ermittlungsbehörden gemacht – auf Kosten ihres Mandats zur vertraulichen Verteidigung und Beratung.

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Verfassungsgerichtsurteil und gefährliche Grauzonen

Die Warnung erfolgt vor dem Hintergrund jüngster Rechtsprechung. Freundorfer verwies auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2025. Dieses habe zwar versucht, den Umfang des Berufsgeheimnisses neu auszubalancieren. Der DAV sieht jedoch gefährliche Lücken, besonders im Licht der umstrittenen “Jones Day”-Präzedenzfälle zur Beschlagnahme von internen Untersuchungsdokumenten.

Die Grenzen zwischen geschützter Verteidigerarbeit und beschlagnahmefähigen Compliance-Daten blieben gefährlich verschwommen. Die Befürchtung: Hinweisgeberschutz-Mechanismen könnten instrumentalisiert werden, um traditionelle Beweisschranken zu umgehen. Behörden könnten so unter dem Deckmantel der Missstandsaufklärung an sensible Mandantendaten gelangen.

Zwei-Klassen-System bei Syndikus-Anwälten

Kern der Kritik ist das anhaltende Zwei-Klassen-System beim Berufsgeheimnis für Syndikusrechtsanwälte. Im Gegensatz zu externen Anwälten genießen interne Unternehmensjuristen in Deutschland deutlich geringeren Schutz bei der Beschlagnahme von Dokumenten und Kommunikation.

Der DAV argumentiert: In einer Zeit, in der Unternehmen interne Hinweisgeberkanäle einrichten müssen – oft verwaltet durch die Rechtsabteilung – sei dieser mangelnde Schutz eine kritische Schwachstelle. Erhält ein Syndikus-Anwalt einen Hinweisgeberbericht, sind diese Informationen möglicherweise nicht vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden geschützt. Bei einer externen Kanzlei wäre dies anders. Freundorfer nannte diese Ungleichbehandlung anachronistisch und forderte den Gesetzgeber auf, den vollen Berufsgeheimnisschutz auf Syndikusrechtsanwälte auszudehnen.

Forderungen an die 21. Legislaturperiode

Die Warnung ist zeitlich auf die Agenda der 21. Legislaturperiode abgestimmt. Der DAV reagiert konkret auf den Kabinettsbeschluss vom 17. Dezember 2025, den Entwurf eines “Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren” anzunehmen.

Während das Bundesjustizministerium den Entwurf als notwendige Modernisierung darstellt, sieht der DAV eine verpasste Chance, die Berufsrechte zu stärken. Der Verband fordert ein einklagbares “Recht auf anwaltlichen Hinweis”. So sollen Anwälte die Integrität ihres Mandats gegen regulatorische Übergriffe verteidigen können.

“Wir brauchen eine klare gesetzliche Zusage, dass die Vertraulichkeit der Anwalts-Mandanten-Beziehung absolut ist”, so der DAV. Sie dürfe nicht gegen Ermittlungsinteressen abgewogen werden. Mit der anstehenden parlamentarischen Behandlung des Gesetzes im ersten Halbjahr 2026 wird der Konflikt zwischen Sicherheitspolitik und Anwaltsverschwiegenheit eskalieren. Der DAV wird voraussichtlich auf Änderungen drängen, die Anwaltskommunikation explizit von Hinweisgeber-Meldepflichten ausnehmen.

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