CLP-Verordnung: Aufschub gewährt, doch neue Gefahrenklassen dulden keinen Aufschub
18.11.2025 - 22:19:12Die Europäische Union verschafft der chemischen Industrie Luft zum Atmen – allerdings nur teilweise. Diese Woche wurde eine „Stop-the-Clock”-Regelung verabschiedet, die bestimmte Fristen der überarbeiteten CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging) bis zum 1. Januar 2028 verlängert. Das klingt nach Entlastung, doch Vorsicht: Die wirklich brisanten Termine bleiben unangetastet.
Denn während Rat und Parlament den Unternehmen – besonders kleinen und mittleren Betrieben – mehr Zeit für komplexe Etikettierungsvorschriften einräumen, ticken andere Uhren unbeirrt weiter. Die gestaffelten Fristen für die Einstufung nach neuen Gefahrenklassen wie endokrine Disruptoren oder persistente Stoffe treten bereits 2025 und 2026 in Kraft. Unternehmen müssen daher einen Spagat bewältigen: kurzfristige Compliance für neue Risikokategorien und langfristige Vorbereitung auf die Etikettierungsrevolution.
Die Verschiebung ist eine direkte Antwort auf den Druck aus der Industrie. Der administrative und finanzielle Aufwand der CLP-Revision aus der Verordnung (EU) 2024/2865 drohte besonders kleinere Unternehmen zu überfordern. Die „Stop-the-Clock”-Regelung, Teil des EU-Vereinfachungspakets „Omnibus VI”, verschiebt gezielt jene Anforderungen, die ursprünglich 2026 und 2027 greifen sollten.
Ab 2028 verpflichtend:
* Verschärfte Etikettierungsformate: Mindestschriftgrößen, präzise Zeilenabstände sowie verbindliche Vorgaben zu Schriftart und Hintergrundfarbe werden Pflicht.
* Digitale und werbliche Darstellung: Gefahrenpiktogramme und -hinweise müssen in Online-Shops und Werbematerialien nach neuen Regeln präsentiert werden.
* Nachfüllstationen: Spezielle Kennzeichnungs- und Sicherheitsvorgaben für den Verkauf von Chemikalien zum Nachfüllen.
* Digitale Kennzeichnung: Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Sicherheitsinformationen in digitaler Form.
Diese Aufschubfrist soll Unternehmen ermöglichen, Prozesse, Lieferketten und IT-Systeme systematisch anzupassen – ohne dabei die Produktsicherheit zu gefährden.
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Neue Gefahrenklassen: Hier gilt ab 2025 voller Ernst
Was viele übersehen könnten: Der Aufschub gilt ausdrücklich nicht für die neuen Gefahrenklassen aus der delegierten Verordnung (EU) 2023/707. Diese adressieren bislang vernachlässigte Risiken und verlangen sofortige Aufmerksamkeit. Im Fokus stehen endokrine Disruptoren (ED) für Mensch und Umwelt sowie persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe (PBT), sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Stoffe (vPvB), persistente, mobile und toxische Stoffe (PMT) sowie sehr persistente und sehr mobile Stoffe (vPvM).
Die unveränderten Fristen im Detail:
* 1. Mai 2025: Alle neuen Stoffe müssen nach den neuen Gefahrenklassen eingestuft und gekennzeichnet sein.
* 1. Mai 2026: Diese Pflicht erstreckt sich auf alle neuen Gemische.
Für bereits auf dem Markt befindliche Produkte gelten Übergangsregelungen: Stoffe, die vor Mai 2025 in Verkehr gebracht wurden, haben bis zum 1. November 2026 Zeit für die Neueinstufung. Bei Gemischen läuft die Frist bis zum 1. Mai 2028. So können bestehende Lagerbestände abverkauft werden, während neue Produkte sofort höheren Schutzstandards genügen müssen.
Balanceakt zwischen Schutz und Praktikabilität
Die zweigleisige Strategie der EU-Institutionen spiegelt einen schwierigen Kompromiss wider. Einerseits drängte die Zeit bei den neuen Gefahrenklassen: Die Risiken durch hormonell wirksame Chemikalien oder langlebige Stoffe im Wasserkreislauf erforderten rasches Handeln. Die Gesundheits- und Umweltschutzaspekte ließen keine Verzögerung zu.
Andererseits musste die EU die operativen Realitäten der Unternehmen berücksichtigen. Die umfassenden Formatierungs- und Werbevorschriften verlangen tiefgreifende Anpassungen über die gesamte Lieferkette hinweg – von Software für Sicherheitsdatenblätter und Etiketten bis zur Gestaltung von Webshops und Werbematerialien. Die Verschiebung auf 2028 schafft Planungssicherheit und ermöglicht eine rechtskonforme und EU-weit einheitliche Umsetzung.
Ein komplexes Puzzle für die Compliance-Verantwortlichen
Die parallelen Zeitpläne schaffen eine anspruchsvolle regulatorische Landschaft. Die Verschiebung auf 2028 entlastet zwar bei administrativen Etikettierungshürden, darf aber nicht in falscher Sicherheit wiegen. Die Fristen für die neuen Gefahrenklassen sind deutlich dringlicher und verlangen sofortiges Handeln.
Unternehmen müssen nun akribisch prüfen, welche Vorschriften für welche Produkte und Zeiträume gelten. Wer neue Stoffe ab Mai 2025 nicht korrekt nach den neuen Gefahrenklassen einstuft, riskiert schwerwiegende Compliance-Verstöße – selbst wenn die allgemeinen Etikettenformatierungsregeln erst 2028 greifen. Die Aktualisierung von Sicherheitsdatenblättern und die Kommunikation neuer Einstufungen entlang der Lieferkette dulden keinen Aufschub.
Was Unternehmen jetzt konkret tun müssen
Für Unternehmen in der chemischen Lieferkette führt kein Weg an einer proaktiven, differenzierten Herangehensweise vorbei. Eine klare Priorisierung der anstehenden Aufgaben ist unerlässlich.
Kurzfristig (bis 2025/2026):
* Datensammlung und Bewertung: Sofortiger Beginn der Datenerhebung für Stoffe und Gemische zur Bewertung nach neuen Gefahrenkriterien (ED, PBT, PMT).
* Einstufung aktualisieren: Klassifizierung in Sicherheitsdatenblättern und internen Systemen muss für neue Stoffe bis zum 1. Mai 2025, für neue Gemische bis zum 1. Mai 2026 abgeschlossen sein.
* Lieferketenkommunikation: Rechtzeitige Information der Kunden über neue Einstufungen, damit diese ihre eigenen Gemisch-Verpflichtungen erfüllen können.
Langfristig (bis 2028):
* Umsetzungsplanung: Detaillierter Plan für die Anpassung aller Etiketten, Online-Auftritte und Werbematerialien an die Vorschriften der Verordnung (EU) 2024/2865.
* System-Updates: Frühzeitige Planung und Budgetierung erforderlicher Software- und Hardware-Anpassungen für Etikettendruck und Online-Darstellung.
Die Aufspaltung der CLP-Fristen bietet Chancen zur besseren Vorbereitung, birgt aber auch Risiken durch Missverständnisse. Wer die Gesetzestexte sorgfältig studiert und Expertenrat einholt, schafft die Basis für vollständige Konformität in den kommenden Jahren. Denn eines ist klar: Die regulatorische Messlatte steigt – nur eben nicht überall gleichzeitig.
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