BAG-Urteil: Betriebsrat darf Frühstückspause nicht eigenmächtig streichen
18.11.2025 - 06:49:12Tarifvertrag schlägt Betriebsvereinbarung – so lässt sich das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf den Punkt bringen. Die Erfurter Richter haben gestern klargestellt: Wenn ein Tarifvertrag Arbeitszeiten regelt, können Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einfach per Betriebsvereinbarung davon abweichen. Selbst nicht bei einer simplen Frühstückspause.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie schnell Unternehmen in rechtliche Fallstricke geraten können. Was zunächst wie eine pragmatische betriebliche Lösung aussah, entpuppte sich als juristisches Minenfeld. Die Entscheidung dürfte weitreichende Folgen für Tausende Betriebsvereinbarungen in Deutschland haben.
Jahrelang gab es in dem betroffenen Unternehmen eine bewährte Praxis: Jeden Tag eine bezahlte Frühstückspause von 15 Minuten. Die Mitarbeiter konnten kurz durchatmen, einen Kaffee trinken – bezahlt, wohlgemerkt. Dann der Bruch: Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen eine Betriebsvereinbarung, die diese Pause ersatzlos strich.
Ein Mitarbeiter wehrte sich und klagte auf Gutschrift der entgangenen Pausenzeiten auf seinem Arbeitszeitkonto. Der Fall wanderte durch die Instanzen, bis das Bundesarbeitsgericht das letzte Wort sprach. Und dieses Wort fiel überraschend differenziert aus.
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Tarifvertrag blockiert betriebliche Regelung
Die Richter erklärten die Betriebsvereinbarung für unwirksam – allerdings nicht, weil dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zustand. Der Knackpunkt lag woanders: Die Regelung verstieß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, die sogenannte tarifliche Sperrwirkung.
Die Logik dahinter ist simpel: Wenn ein Tarifvertrag bereits Arbeitszeiten und Vergütung regelt, können die betrieblichen Parteien nicht einfach davon abweichen. Es sei denn, der Tarifvertrag enthält explizit eine Öffnungsklausel. Die gab es hier nicht.
Das Gericht stellte klar: Die Frühstückspause war keine zusätzliche Vergütung, sondern eine zeitlich begrenzte Freistellung von der Arbeitspflicht. Und genau diese Materie war bereits im anwendbaren Tarifvertrag geregelt. Damit fehlte der Betriebsvereinbarung schlichtweg die Rechtsgrundlage.
Mitbestimmung hat ihre Grenzen
Pikant: Obwohl Betriebsräte grundsätzlich bei Pausenregelungen mitbestimmen dürfen, half ihnen das in diesem Fall nicht weiter. Warum? Weil der Tarifvertrag bereits alles Wesentliche regelte. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 BetrVG greift nur dort, wo kein Tarifvertrag den Weg vorgibt.
Die Entscheidung ist keine Absage an die Mitbestimmung generell. Sie zieht lediglich eine klare Trennlinie: Tarifverträge stehen in der Normenhierarchie über Betriebsvereinbarungen. Punkt.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Was bedeutet das Urteil für die betriebliche Praxis? Arbeitgeber und Betriebsräte müssen künftig noch genauer hinschauen, bevor sie Betriebsvereinbarungen abschließen. Die Checkliste sollte lauten:
- Gibt es einen anwendbaren Tarifvertrag?
- Regelt dieser bereits den fraglichen Bereich?
- Existiert eine Öffnungsklausel, die Abweichungen erlaubt?
Werden diese Fragen nicht sorgfältig geprüft, droht die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Mit allen unangenehmen Folgen: Rechtsunsicherheit, mögliche Nachforderungen von Beschäftigten, aufwendige Korrekturen.
Zurück ans Landesarbeitsgericht
Das BAG hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Fall zurück ans Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Dort muss nun unter Berücksichtigung der Erfurter Rechtsgrundsätze neu verhandelt werden.
Für die Praxis bleibt festzuhalten: Jahrelange Übung schafft kein Recht, wenn sie tarifvertraglichen Regelungen widerspricht. Auch wenn eine Praxis noch so etabliert erscheint – ohne rechtlich saubere Grundlage kann sie jederzeit kippen.
Die Entscheidung mahnt zu Sorgfalt bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen. Im Zweifel sollten sich Unternehmen und Betriebsräte juristischen Rat einholen. Die 15-Minuten-Pause könnte sich sonst als teure Lektion erweisen.
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