Apple warnt vor „gefährlicher EU-Regulierung
07.11.2025 - 22:07:12Apple wirft der EU-Kommission vor, mit dem Digital Markets Act bewusst Sicherheitsrisiken für Verbraucher zu schaffen und ein regulatorisches Paradoxon zu erzeugen.
Der iPhone-Konzern greift die Europäische Kommission frontal an: Das Digital Markets Act untergrabe die Sicherheit europäischer Nutzer und schaffe ein „regulatorisches Paradoxon”. Steht Brüssel vor einem selbstgeschaffenen Dilemma?
In einem ungewöhnlich scharfen Brief wirft Apple der EU-Kommission vor, mit der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) bewusst Sicherheitsrisiken für Verbraucher zu schaffen. Die Vorwürfe haben es in sich: Die Brüsseler Behörde verfolge eine „rücksichtslose und sogar gefährliche” Strategie, die ihre eigenen Verbraucherschutzziele untergrabe.
Der am Donnerstag versandte Brief von Apple-Vizepräsident Kyle Andeer macht deutlich, wie angespannt das Verhältnis zwischen Big Tech und europäischen Regulierern mittlerweile ist. Das Unternehmen sieht sich gezwungen, sein sorgfältig kontrolliertes iOS-Ökosystem für Drittanbieter-App-Stores, alternative Zahlungssysteme und ungeprüfte externe Links zu öffnen. Die Folge? Nutzer seien einem deutlich höheren Risiko von „Betrug und Scams” ausgesetzt.
Wenn zwei EU-Gesetze kollidieren
Der Kern des Konflikts liegt in einem offensichtlichen Widerspruch zwischen zwei Flaggschiff-Regelwerken der EU. Das seit März 2024 vollständig geltende Digital Markets Act soll die Macht der Tech-Giganten beschneiden und mehr Wettbewerb erzwingen. Für Apple bedeutet das konkret: App-Sideloading außerhalb des App Store zulassen und Entwicklern erlauben, Nutzer zu alternativen Bezahlplattformen zu lotsen.
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Gleichzeitig verlangt der Digital Services Act (DSA) von denselben Plattformen robuste Schutzmaßnahmen gegen illegale Inhalte, Desinformation und Finanzbetrug – besonders für Minderjährige. Apple argumentiert, es sei „schwer vereinbar”, dass die Kommission einerseits die DMA-Vorgaben aggressiv durchsetze, andererseits aber die DSA-Compliance des Unternehmens unter die Lupe nehme.
„Die Kommission kann nicht gleichzeitig verbieten, dass Apple die notwendigen Schritte zur Risikominimierung im App Store unternimmt, und das Unternehmen dafür kritisieren, nicht noch mehr Schutzmaßnahmen bereitzustellen”, so Andeer. Apple betont, dass der kuratierte App Store und das integrierte Bezahlsystem das Fundament seiner Sicherheitsarchitektur bilden – die iOS in 17 Jahren vor jeglichen großangelegten Malware-Angriffen bewahrt habe.
Die Büchse der Pandora: Sideloading
Cybersecurity-Experten sehen im DMA-Zwang zum Sideloading ein erhebliches Risiko. Während Befürworter darin einen Gewinn für Verbraucherwahlfreiheit und Entwicklerfreiheit erkennen, warnen Kritiker vor einer Flut von Sicherheitsbedrohungen. Apples rigoroses App-Review-Verfahren diente bisher als kritische Verteidigungslinie gegen Schadsoftware.
Mit der Pflicht, Apps aus alternativen Marktplätzen zuzulassen, fällt dieser „Burggraben” weg. Europäische Nutzer könnten künftig denselben Gefahren ausgesetzt sein wie Nutzer offener Plattformen: gefälschte Banking-Apps, als Spiele getarnte Malware, Spyware zum Datendiebstahl. Selbst mit den neuen Schutzmechanismen wie der App-Notarisierung räumt Apple ein, dass manche Risiken nicht vollständig eliminierbar seien.
Die Komplexität steigt dramatisch: Mehrere App Stores mit unterschiedlichen Prüfstandards und Sicherheitsprotokollen belasten Verbraucher, sichere von gefährlichen Apps zu unterscheiden. Eine Aufgabe, die bisher das Unternehmen übernahm.
Nicht nur Apples Problem
Die Sicherheitsbedenken betreffen nicht nur Cupertino. Auch Googles Android-Ökosystem steht unter DMA-Druck. Vorschriften, die Plattformen zwingen, unregulierte externe Links in Apps zu erlauben, könnten etablierte Schutzfunktionen wie Google Play Protect aushebeln. Das Risiko: Millionen EU-Bürger werden auf Phishing-Seiten oder Malware-Download-Sites umgeleitet.
Der fundamentale Dissens dreht sich um die Plattform-Architektur selbst. Tech-Konzerne argumentieren, ihre integrierten Systeme seien auf Vertrauensbildung und Sicherheit ausgelegt. Das DMA priorisiert hingegen Offenheit und Wettbewerb – manchmal auf Kosten eben dieser Sicherheitsmodelle. Kritiker sprechen bereits von einer „Sicherheitslücke”, die EU-Verbraucher im Vergleich zu Nutzern in anderen Regionen benachteilige.
Apple hat bereits angekündigt, dass regulatorische Unsicherheiten die Einführung neuer Features in der EU verzögern.
Der größere Kontext: Wettbewerb versus Sicherheit
Das Ziel der EU mit dem Digital Markets Act ist klar: einen faireren, wettbewerbsfähigeren digitalen Markt schaffen und verhindern, dass eine Handvoll Tech-Riesen die Spielregeln diktiert. Kleinere Unternehmen sollen bessere Chancen erhalten, Verbraucher mehr Auswahl und niedrigere Preise.
Doch die jüngsten Vorwürfe und Branchenanalysen legen nahe, dass diese Vorteile mit erheblichen Cybersecurity-Kompromissen erkauft werden. Zwar mag man Apples vehemente Opposition als eigennützigen Versuch interpretieren, das hochprofitable App-Store-Geschäftsmodell zu schützen. Doch zahlreiche Sicherheitsexperten bestätigen die Legitimität der angesprochenen Risiken.
Die Kernfrage für Regulierungsbehörden weltweit lautet: Wie lässt sich gesunder Wettbewerb fördern, ohne Verbraucher gleichzeitig anfälliger für Cyberkriminalität zu machen? Die EU-Strategie, DMA und DSA als separate – teils widersprüchliche – Regelwerke durchzusetzen, verdeutlicht die Herausforderung, einen kohärenten Regulierungsrahmen für die komplexe digitale Welt zu schaffen.
Was kommt als Nächstes?
Der Schlagabtausch zwischen Apple und der Europäischen Kommission ist weit davon entfernt, beigelegt zu werden. Brüssel untersucht aktuell Apples Compliance sowohl mit den DMA-Wettbewerbsregeln als auch mit den DSA-Sicherheitsanforderungen. Für den Konzern steht viel auf dem Spiel – empfindliche Geldstrafen drohen.
Dieser öffentliche Konflikt schafft einen Präzedenzfall für künftige Rechtsstreitigkeiten und dürfte die EU zwingen, die offensichtlichen Widersprüche in ihrer eigenen Digitalregulierung anzugehen. Das Ergebnis wird weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur für Apple und andere Tech-Giganten in Europa, sondern für die globale Tech-Governance insgesamt.
Während andere Nationen überlegen, wie sie den digitalen Raum regulieren sollen, wird die Welt genau beobachten, ob die EU die Balance zwischen Marktgerechtigkeit und Verbrauchersicherheit halten kann. Der Ausgang dieses Experiments könnte die Blaupause – oder Warnung – für kommende Regulierungsbemühungen weltweit werden.
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