EUDR, Aufschub

EUDR: Zwölf Monate Aufschub für Unternehmen

06.12.2025 - 18:11:12

Die EU verschiebt ihre Entwaldungsverordnung um ein Jahr – und streicht eine umstrittene Risikokategorie. Nach intensiven Verhandlungen haben sich Europaparlament und Rat am Donnerstagabend auf einen Kompromiss geeinigt, der global tätigen Unternehmen mehr Zeit verschafft.

Die ursprünglich für Ende Dezember 2025 geplante Umsetzung der EU Deforestation Regulation (EUDR) rückt damit in weite Ferne. Doch welche Zugeständnisse mussten die Unterhändler dafür machen? Und was bedeutet das konkret für die betroffenen Branchen?

Der Kern der Einigung vom 4. Dezember ist eindeutig: Die Verordnung wird um zwölf Monate verschoben. Eine Entscheidung, die bereits im Oktober von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, nachdem klar war, dass die technischen Systeme nicht rechtzeitig fertig werden.

Die neuen Stichtage lauten:
* 30. Dezember 2026: Für große und mittlere Unternehmen
* 30. Juni 2027: Für Kleinst- und Kleinunternehmen

Betroffen sind weiterhin alle relevanten Rohstoffe – Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz – sowie deren Folgeprodukte. Die Verzögerung soll der Kommission Zeit geben, das IT-System (Information System) fertigzustellen und internationalen Handelspartnern die Anpassung ihrer Compliance-Mechanismen ermöglichen.

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Kontroverse “Null-Risiko”-Kategorie fällt

Das politisch heikelste Thema der Verhandlungen war vom Tisch, bevor die Tinte trocknete: Die vom Europaparlament geforderte “Null-Risiko”-Kategorie wird es nicht geben.

Diese Einstufung hätte Länder mit stabilem Waldbestand von den strengsten Sorgfaltspflichten befreit – ein Vorschlag, den Umweltverbände und der Rat als potenzielle Hintertür für nicht-konforme Waren scharf kritisierten. Berichten zufolge zog die Europäische Volkspartei (EVP) den Änderungsantrag zurück, um die einjährige Verzögerung noch vor Jahresende durchzubringen.

Das bestehende dreistufige Benchmarking-System (niedriges, mittleres und hohes Risiko) bleibt somit der einzige Rahmen zur Bewertung von Länderrisiken.

„Das Herz der EU-Entwaldungsverordnung bleibt intakt”, erklärte Christine Schneider, Hauptverhandlungsführerin des Parlaments. „Wir schützen Wälder, die tatsächlich von Abholzung bedroht sind, und vermeiden unnötige Auflagen dort, wo kein solches Risiko besteht.”

Erleichterungen für nachgelagerte Händler

Auch wenn die “Null-Risiko”-Kategorie scheiterte: Die Einigung bringt erhebliche Entlastungen für nachgelagerte Akteure und die Druckindustrie.

Schluss mit doppelter Bürokratie

Die wohl bedeutendste Vereinfachung betrifft nachgelagerte Händler. Künftig muss nur noch der erste Marktteilnehmer, der ein relevantes Produkt in der EU platziert, eine vollständige Sorgfaltserklärung im Informationssystem einreichen.

Alle folgenden Händler und Betreiber in der Kette müssen keine eigenen, leeren oder doppelten Erklärungen mehr abgeben. Stattdessen genügt es, die eindeutige Sorgfaltsnummer des Erstanbieters zu erfassen und weiterzugeben. Diese Änderung adressiert direkt die Kritik der Industrie an einer drohenden “Bürokratiekette”, die Tausende redundanter Meldungen für bereits erfasste Waren erfordert hätte.

Bücher und Zeitungen ausgenommen

Eine Überraschung für die Verlagsbranche: Gedruckte Produkte wie Bücher, Zeitungen und Bilder werden künftig von der Verordnung ausgenommen. Die Gesetzgeber begründen dies mit dem „begrenzten Entwaldungsrisiko” dieser Endprodukte im Vergleich zu Rohholz oder Zellstoff.

Diese Entscheidung folgt intensivem Lobbying der europäischen Verlagsverbände, die vor katastrophalen Lieferkettenunterbrechungen gewarnt hatten.

Vereinfachte Einmalregistrierung für KMU

Kleinst- und Kleinunternehmen profitieren zudem von einem vereinfachten Meldeverfahren. Statt bei jeder Lieferung eine neue Erklärung einzureichen, können sie unter bestimmten Niedrigrisiko-Kriterien eine einzige Sammelregistrierung vornehmen – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem ursprünglichen Entwurf.

Überprüfung bereits für April 2026 geplant

Um anhaltende Bedenken zur Praktikabilität der Verordnung aufzugreifen, enthält der Kompromiss eine beschleunigte Review-Klausel. Die EU-Kommission muss bis zum 30. April 2026 eine umfassende Folgenabschätzung vorlegen.

Diese Überprüfung soll speziell die Belastung kleiner Unternehmen und die Wirksamkeit der Vereinfachungsmaßnahmen evaluieren. Anders als bei einer Standard-Evaluierung findet diese Bewertung vor dem neuen Anwendungstermin statt – theoretisch könnten also noch weitere gesetzliche Anpassungen folgen, sollten sich kritische Engpässe zeigen.

Gemischte Reaktionen aus Wirtschaft und Umweltverbänden

Die Einigung beendet Monate der Unsicherheit, die Tausende Unternehmen in der Schwebe gelassen hatte. Die Debatte um die “Null-Risiko”-Kategorie hatte den gesamten Verzögerungsprozess zu kippen gedroht – mit dem Risiko, dass das ursprüngliche Gesetz am 30. Dezember 2025 ohne funktionsfähige IT-Systeme in Kraft getreten wäre.

Die Reaktionen der Industrie fallen gemischt, aber überwiegend erleichtert aus. Die Verzögerung wird als Notwendigkeit akzeptiert, da das EU-Registrierungssystem erst kürzlich voll einsatzfähig wurde. Allerdings bedeutet der Wegfall der “Null-Risiko”-Kategorie, dass auch Unternehmen, die aus risikoarmen Regionen wie den USA oder Teilen Europas beziehen, vollständige Rückverfolgbarkeitssysteme aufrechterhalten müssen.

Umwelt-NGOs, obwohl kritisch gegenüber der Verzögerung, zeigten sich erleichtert über das Scheitern der “Null-Risiko”-Ausnahme. Organisationen wie WWF hatten gewarnt, dass eine solche Kategorie die Glaubwürdigkeit des Gesetzes untergraben würde, indem Waren über “sichere” Länder umgeleitet werden könnten.

Wie geht es weiter?

Die vorläufige Einigung muss nun förmlich verabschiedet werden. Das Europaparlament wird in der Woche vom 15. Dezember 2025 während seiner Plenarsitzung in Straßburg über den Text abstimmen. Der Rat wird seine endgültige Zustimmung kurz darauf erteilen.

Nach der Unterzeichnung wird die Änderungsverordnung noch vor Jahresende im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht – damit tritt die Verzögerung rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglichen Frist in Kraft.

Für Unternehmen lautet die Botschaft: Die Frist wurde verschoben, die Anforderungen bleiben streng. Firmen sollten die zusätzlichen zwölf Monate nutzen, um ihre Geolokalisierungsdaten zu perfektionieren und ihre Lieferketten präzise zu kartieren. Denn die materiellen Verpflichtungen zu Rückverfolgbarkeit und Entwaldungsfreiheit bleiben unverändert.

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